Rollenrochade

■ Robert Atzorn und Tilo Prückner ersetzen im Hamburger „Tatort“ das altgediente Fernsehkommissaren-Duo Stoever und Brockmüller

Er hat sich verändert: Robert Atzorn, der einst als „Lehrer Dr. Specht“ im ZDF Karriere machte, trägt heute schwarze Kluft und einen grauen Stoppelbart. Er wirkt ruhig, konzentriert, bemüht sich um einen sachlichen, ernsthaften Ton. Dr. Specht ist Vergangenheit, die Zukunft gehört dem Hauptkommissar Jan Castorff. So heißt der neue „Tatort“-Ermittler, der als Nachfolger des altgedienten Duos Stoever/Brockmöller für den Norddeutschen Rundfunk (NDR) auf Ganovenjagd geht. Der NDR serviert Castorff und seinen Kollegen Eduard Holicek (Tilo Prückner) gleich im Doppelpack: Am Sonntag (28. Oktober) lösen die beiden in der Geschichte „Exil“ ihren ers-ten Fall, am 18. November mit „Hasard“ den zweiten.

So ganz ohne Schwierigkeiten kam die Atzorn-Premiere im ARD- „Tatort“ jedoch nicht zu Stande. Erst einmal hatte es ein längeres Tauziehen um das Buch gegeben. Bis zur vierten Fassung hatte der NDR mit dem Star-Autoren Felix Huby zusammen gearbeitet. Danach hatte man sich getrennt, weil das Buch immer noch nicht „drehreif“ gewesen sei, wie es hieß. Regisseur Thomas Bohn übernahm die Aufgabe, das Buch zu überarbeiten. Huby verfügte, dass er im Abspann des Films nicht mehr als Autor erwähnt werden wollte. Die ursprünglich auf den 30. September datierte TV-Premiere musste zudem verlegt werden, weil die ARD durch ein zeitgleiches Formel-1-Rennen auf RTL hohe Zuschauer- Verluste befürchtete.

Der 56-jährige Atzorn, der in Hamburg aufwuchs und in der Nähe des Chiemsees wohnt, hat sich auf seine Rolle intensiv vorbereitet. „Ich habe mit zwei Kommissaren bei der Mordkommission gesprochen“, berichtet er. „Es ist schon hammerhart, wie sie ihre Arbeit verkraften müssen.“ Auch Regisseur Bohn sagt, man wolle zeigen, wie eine Mordkommission wirklich arbeite und nichts beschönigen. „Es gibt schon viele Kommissare, die sich anflachsen. Davon wollen wir weg“, fügt Bohn hinzu. Auch eine andere Eigenheit des Vorgängergespanns Manfred Krug/Charles Brauer werden Atzorn und Prückner nicht kultivieren: „Ich werde in meiner Rolle nicht singen“, unterstreicht Atzorn.

Für die ARD hängt vom „Tatort“ und der publikumsgerechten Besetzung sehr viel ab. Neben der „Tagesschau“ gehört die Krimireihe zu den Produkten mit der höchs-ten Popularität und inhaltlichen Qualität, die auch bei der Weiterverwertung auf internationalen Märkten von großer Bedeutung ist. Der heimische Zuschauer muss sich vor allem in diesem und nächs-tem Jahr an eine Reihe neuer Gesichter in der mittlerweile 31 Jahre alten „Tatort“-Reihe gewöhnen. Nach Stoever und Brockmöller verabschiedete sich der in Frankfurt/Main ermittelnde Kommissar Brinkmann vom Publikum, auch der Schweizer „Tatort“ wird eingestellt, und demnächst tauchen mit Maria Furtwängler, die auch für den NDR ermittelt, und Eva Mattes, die für den Südwestrundfunk (SWR) am Bodensee im Einsatz ist, zwei neue Akteurinnen auf.

Der erste Fall führt Hauptkommissar Castorff in den Hamburger Hafen. Dort wird der Chef-Ingenieur einer Reederei tot aus der Elbe gefischt. Er sollte eine Aussage vor dem Hamburger Seeamt machen. Noch am Abend vorher wurde er mit zwei anderen Männern in einer dunklen Spelunke gesichtet. Bei den Ermittlungen stößt Castorff auf seine Ex-Frau, Mutter seines 15-jährigen Sohnes und mittlerweile Anwältin bei der Reederei – eine nicht uneingeschränkte Wiedersehensfreude mit Nebenwirkungen. C. Rave/D.Koch