Störenfried im Urbauernidyll

Eine Gruppe von Journalistikstudenten infiltrierte eine Reality-Show auf dem Bauernhof für ein Meinungsexperiment

STOCKHOLM taz ■ Die Reality-Show „Farmen“ („Bauernhof“) sorgt zurzeit in Schweden für Quotenrekorde. Zwölf TeilnehmerInnen ohne landwirtschaftliche Vorkenntnisse müssen sich in einer „Big Brother“-Umgebung und nach „Robinson“-Manier auf einem einsamen Bauernhof ohne Strom, fließendes Wasser und sonstigen Errungenschaften der modernen Zivilisation zusammenraufen – und einen unter sich wöchentlich aus der Gemeinschaft stimmen.

Für den bisherigen Erfolg sorgte offenbar nicht nur die Schadenfreude der ZuschauerInnen über die Probleme der TV-Landwirte, mit Selbstversorgung und Plumpsklo klarzukommen, sondern auch die Tiraden eines missionarischen Veganers, der mit drastischen Beispielen besonders unverantwortlichen Umgangs mit Tieren in Haltung wie Schlachtung den Übrigen den Genuss von Fleisch, Käse und Milch gründlich vermieste.

Als Hauptkonfliktperson der Sendung war ihm wochenlang nicht nur viel TV-Raum für seine Botschaft eingeräumt worden. Erik hatte auch eine breite Debatte bei ZuschauerInnen und Medien zum Vegan-Thema ausgelöst – bis er hinausgestimmt wurde aus dem Urbauernidyll.

Einen Tag später outete sich Erik im Aftonbladet: Alles war nur erfunden. Eine Gruppe von JournalistikstudentInnen wollte beweisen, wie erfolgreich man das Format Reality-Show benutzen kann, um bestimmte Botschaften unters Volk zu bringen.

Die Rolle, die der Student Erik spielen sollte, wurde bis in alle Einzelheiten eingeübt: „Wir hatten die These, dass man so stereotyp wie nur möglich sein musste, um eine Chance haben, unter den Tausenden von BewerberInnen herausgefiltert zu werden.“ Die These stimmte. Erik mit seiner scheuklappenartigen Weltsicht schien den Fernsehmachern sofort geeignet, das gewünschte Konfliktpotenzial in die Show einzubringen. Niemand machte sich die Mühe, die Geschichte des „militanten Veganers“ zu überprüfen. (Die Gruppe hatte übrigens auch überlegt, einen militanten „Antialkoholiker“ in die alkoholgeschwängerte Reality-Show „Bar“ einzuschleusen.)

„Ich habe nichts gegen gute Unterhaltung“, so Erik im Aftonbladet. „Aber wir wollten zeigen, wie obszön dieses ganze Showsystem ist.“ Zur Sendezeit im Fernsehen seien noch mal die vielen Zeitungsseiten nach dem „Outing“ gekommen – „während Menschen, die wirklich etwas Wichtiges zu sagen hätten, nicht zu Wort kommen.“

REINHARD WOLFF