Bildersammler

„Wahrigs Wörterbuch“ definiert „Galerie“ als einen langen, an der Seite offenen und verglasten Gang. Einen mit Fenstern und Arkaden versehenen Laufgang an der Fassade einer romanischen oder gotischen Kirche nennt man in der Architektur Galerie. In alten Schlössern ist die Galerie ein mehrere Räume verbindender Gang, in dem man Bilder aufhängt – die Gemäldegalerie.

Mit dem Begriff ist aber nicht nur das Sakrale und Noble verbunden. Es geht auch um den harten Kampf. Galerie kann den Aufbau am Heck von Kriegsschiffen bezeichnen. In österreichischer Gaunersprache ist die Galerie Synonym für Verbrecherwelt. Insofern ist Galerie ein guter Begriff, um den Kampfplatz der Kunstsammler und Schnittchenjäger zu benennen.

Eine Galerie, hinter der Kaufkraft und namhafte Künstler stecken, kommt niemals allein. Viele Städte pflegen die Galerienmonokultur ganze Straßenzüge lang. In London tummeln sich die chicsten in der Cork Street. Die alternativen, hippen Galerien sind am Hoxton Square. Das Viertel Saint-Germain sammelt die Galerien in Paris, der New Yorker Kunstmarkt findet in Soho statt.

In Berlin trifft sich die Kunst- und Kommerzszene vorzugsweise im Bezirk Mitte. Von April bis Juni 1996 verwirklichten hier 45 Galerien gemeinsam das Projekt „Kunstmitte“ – mit Werken von 180 bildenden Künstlern –, das die Multikultur der in Mitte lebenden Künstler verschiedener Nationalitäten zeigen sollte.

Die Neunzigerjahre brachten mit neuen Galerieformen frisches Leben in die Berliner Kunstszene: beispielsweise den „Friseur in der Botschaft e.V.“, eine kleine Aktionsgalerie in der Kronenstraße mit Filmproduktionsfirma und Bar, die unter anderem Herzschrittmacher aus aller Welt zeigen.

Solche Aktivistengruppen gingen den umgekehrten Weg der darauffolgenden Start-Ups: Sie brüteten erst Ideen aus und versuchten dann, das Kapital beziehungsweise den Kultursenat dafür zu interessieren. Heute betreiben die „Botschafts“-Künstler unter anderem die kritisch-urbanistischen Buchläden „b-books“ in der Lübbenerstraße und „pro quadratmeter“ in der Alten Schönhauser Straße.

Die Galerienszene zieht weite Kreise: Die Kulturwissenschaftler der Humboldt-Universität haben inzwischen nicht nur ihr Forum auf den „Berliner Seiten“ der FAZ, sondern auch auf ein avantgardistisches Ladengalerieprojekt namens „Aroma“ in der Grolmannstraße gesetzt. Auf den Laden nebenan, Juliettes Literatursalon, haben die Kittlerjungs, wie man sie in der Hauptstadt der Kunstbewegung zärtlich nennt, ebenfalls performativen Zugriff.

Zuletzt glänzten sie mit einem Vortrag über den Teslagenerator, der Glühbirnen und Neonröhren ohne die umständliche Verkabelung leuchten lässt: ein Quantensprung in der Theaterillumination – wenn die Volksbühne sich endlich entschließen würde, ihn anzuschaffen.

Dort und auf den Nebenbühnen ist man an sich immer gerne bereit, die kreativsten Vorschläge aus der inzwischen unübersehbaren Zahl Berliner Künstlerläden und Künstlerbüros einzubauen. Beispielsweise für das Fortsetzungsevent Milles Plateaus oder der am Stadtrand „rollenden Road-Show“, aber hierbei gibt es vielleicht noch ein paar Sicherheitsbedenkenträger. JUDITH LUIG