Überschreitet Sex und Gender

Mit „Iron Ladies“ starten am Dienstag die 12. Lesbisch Schwulen Filmtage  ■ Von Doro Wiese

Homo-, Bi-, Trans- und Sonstwiesexuelle, es ist an der Zeit, die Kalender zu zücken: Denn die Lesbisch Schwulen Filmtage stehen vor der Haustür und wollen zu Gast in eurem Leben sein. Als Geschenk haben sie viele Lang- und Kurzfilme auf internationalen Festivals erjagt und bieten der Geselligkeit ausreichenden Auslauf – zum Programm gehören sozial orientierte Kassenschlangen vor den Kinos, die obligatorische Nachtbar, eine Tupper- sowie eine Festivalparty im Absolut.

Aus den Koffern pa-cken die Filmtage jene Themen, die sich um Sex, Sexualität und die Geschlechter drehen: Die Auswahl reicht vom Coming-out in unterschiedlichsten Ländern über die Schwierigkeiten der Beziehungsführung bis hin zu transgendrigen Lebensentwürfen. Des Weiteren sind als Betthupferl schwule beziehungsweise lesbische Pornos zu sehen. Es ist also für jeden Geschmack etwas dabei und in der Filmauswahl lassen sich so manche Schätze finden.

Mit dem Erstlingsfilm Hannah And Her Brothers (2000) erfährt beispielsweise das Coming-Out-Genre eine entscheidende Erweiterung. Regisseur Vladimír Adásek bedient sich hier einer surrealen Erzählstrategie, um dem Erleben seines Protagonisten Ausdruck zu verleihen. In einem traumgleichen Bilderreigen wird die Geschichte von Martin erzählt, der seine skandalöse und skandalversessene Familie am liebsten vergiften würde. Ohnehin pflegt diese giftige Beziehungen und bisweilen täte es Not, Licht in das vom Stromausfall betroffene Haus zu bringen. Durch den metaphorischen Gebrauch von Bild und Erzählung beschreibt Adásek eindringlich eine aufbrechende Sexualität, die von einer aufdringlichen Familie im Schach gehalten wird.

Einen besonderen Schwerpunkt stellen in diesem Jahr Filme über jüdische Lesben und Schwule dar. Neben israelischen Kurzfilmen wird auch Trembling Before G-d (2001) gezeigt, ein Dokumentarfilm über chassidische und orthodoxe Juden und Jüdinnen, die aufgrund eines religiösen Homosexualitätsverbots mit ihrer homosexuellen Orientierung zu kämpfen haben. Der Film porträtiert die Selbstverhältnisse und Strategien der Betroffenen und erlaubt somit eine Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Religionszugehörigkeiten für sexuelle Identitäten.

Dass Toleranz und Akzeptanz auch für christlich geprägte Gesellschaften keineswegs selbstverständlich sind, zeigen einige US-amerikanische Filme. So erzählt A Union In Wait (2001) über die verzweifelten Bemühungen des lesbischen Paares Wendy und Susan, kirchlich zu heiraten. Scouts' Honor (2001) wiederum berichtet über den beeindruckenden Kampf des jungen Pfadfinders Steve, das Homosexualitätstabu in einer der größten US-amerikanischen Jugendorganisationen, den Boy-Scouts, zu brechen. Und der französische Dokumentarfilm Homophobia, That Painful Problem (2000) beleuchtet kulturübergreifende Ressentiments gegenüber Homosexuellen.

Ein leichteres Lebensgefühl vermittelt dagegen der Spielfilm Excuse Me Darling, But Lucas Loved Me ... (1999). Die Liebesverwirrungen einer spanischen WG werden hier entlang einer Kriminalhandlung aufgedeckt, die sich mit vergnüglichem Charme an das Spiel „Mörder im Dunkeln“ hält. Auch der Wunschfilm Drop Out – Nippelsuse schlägt zurück (1999) verspricht mit Szenen aus dem heimischen St. Pauli über die Stränge des Geschmacks zu schlagen. Wer wiederum dem Vergnügen des Camp erlegen ist, kann Horst Tappert in Perrak (1970) in die dunkle Unterwelt des Transvestitenmilieus folgen. Gute Unterhaltung bietet das Eröffnungsprogramm, das Queen Lah T. Nedo (2001) nicht nur Tatort-Star Ulrike Folkerts auf die Bühne bringt, sondern mit The Iron Ladies (2000) auch ein schwules Volleyball-Team in die Gefilde der sportlichen Berühmtheiten versetzt.

Wer also Lunte gerochen hat, sollte sich ein Programm besorgen und eventuell Karten vorbestellen, denn der Erfahrung nach sind viele Vorstellungen schnell ausverkauft. Ansonsten dürfte wie jedes Jahr gerade die Nachtbar ausgezeichnetes Vergnügen bereiten. Der Ort wird wie immer am Eröffnungsabend bekannt gegeben und bietet unlimitierten Einlass für jede und jeden, die sich zeigen wollen – und sei es auf polysexuelle Weise.

Iron Ladies (mit Queen Lah T. Nedo in Anwesenheit von Ulrike Folkerts): Di, 19.30 Uhr, Zeise; Stranger Inside: Di, 22.30 Uhr; Ursula 1 – lesbische Kurzfilme: Mi, 18 Uhr, Metropolis; Friends And Family: Mi, 18 Uhr, Zeise; Desi's Looking For A New Girl: Mi, 20.15 Uhr, Metropolis; Ursula 2 – schwule Kurzfilme: Mi, 20.15 Uhr, Zeise; Erotisches zur Nacht: Mi, 22.30 Uhr, Metropolis; Circuit: Mi, 22.30 Uhr, Zeise; das Programm für die Zeit von Do, 18.10. bis So, 21.10. s. Programmheft oder www.lsf-hamburg.de; Festivalparty Fr, 19.10.