Mensch offiziell patentierbar

Der Europäische Gerichtshof weist Klage gegen Gen-Richtlinie ab: Die Menschenwürde sei nicht verletzt, heißt es. Parlamentarier-Kritik an Entscheidung

FREIBURG taz ■ Die Biopatent-Richtline der Europäischen Union verstößt nicht gegen die Menschenwürde. Dies entschied gestern der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg und lehnte eine Klage der niederländischen Regierung ab.

Die Biopatent-Richtlinie war 1998 beschlossen worden. Sie stellt klar, dass auch einzelne Gene von Pflanzen, Tieren oder Menschen patentiert werden können, wenn die Identifikation dieser Gene gewerblich nutzbar ist. In ihrer Klage lehnten die Niederlande die Richtlinie vor allem deshalb ab, weil die in der Richtlinie erlaubten „Patente auf Leben“ gegen die Menschenwürde verstießen.

Dem widersprach nun aber der EuGH. Durch zahlreiche Bestimmungen der Richtlinie sei die Achtung der Menschenwürde sichergestellt. So stelle sie klar, dass der menschliche Körper selbst – auch in den einzelnen Phasen seiner Entwicklung – keine patentierbare Erfindung darstelle. Ebenso wenig seien Verfahren zum Klonen von Menschen oder zur Schaffung von Mensch-Tier-Wesen patentierbar. Darüber hinaus stellte der EuGH fest, dass die Aufzählung dieser in der Richtlinie ausdrücklich als „nicht patentierbar“ bezeichneten Vorgänge nicht abschließend ist. Vielmehr seien alle Verfahren, „deren Anwendung gegen die Menschenwürde verstößt“, von der Patentierbarkeit auszunehmen.

Der EuGH teilte allerdings die niederländischen Bedenken schon im Ansatz nicht. So würden beim Menschen natürlich vorkommende biologische Daten nicht um ihrer selbst willen erfasst, sondern nur „soweit sie für die Verwertung einer besonderen gewerblichen Anwendung erforderlich“ sind. Ohne eine solche Anwendung habe man es nicht mit einer Erfindung zu tun, sondern mit der Entdeckung, die als solche nicht patentierbar wäre. Damit ist auch klar gestellt, dass bloße Ergebnisse der maschinellen Sequenzierung des menschlichen Genoms nicht patentierbar sind.

Die grüne Europaabgeordnete Hiltrud Breyer kritisierte das Urteil und verwies auf einen Beschluss des Unesco-Bioethikausschusses. Dort sei vorige Woche einstimmig beschlossen worden, dass es „starke ethische Gründe für einen Ausschluss des menschlichen Genoms von der Patentierbarkeit“ gebe. Vorige Woche hatte das EU-Parlament Widerspruch gegen die Patentierung eines Brustkrebsgens eingelegt.

Die Richtlinie ist bisher noch nicht in deutsches Recht umgesetzt worden. Der Anwendungsbereich eines deutschen Ausführungsgesetzes wird jedoch ohnehin nur sehr eng sein. Viel wichtiger ist, dass das Europäische Patentamt in München die EU-Richtlinie bereits seit 1999 im Rahmen des Europäischen Patentübereinkommens anwendet. Der Rechtsausschuss des Bundestages wird in der kommenden Woche eine Anhörung über die Biopatentrichtlinie veranstalten. CHRISTIAN RATH