Schöne Worte, kaum Taten

Berichtspflicht für Pensionsfonds: Erfahrungen mit ethischen, ökologischen und sozialen Kriterien bei Geldanlagen in Großbritannien. Zwei Drittel der Fonds setzten sich über die Transparenz hinweg

Ab dem 1. Januar 2002 sind die Anbieter von Kapitalanlagen zur Altersvorsorge in Deutschland aufgefordert, darüber Rechenschaft ablegen, inwieweit sie ökologische, soziale und ethische Belange in ihrer Anlagepolitik berücksichtigen. Der im Bundesrat am 11. Mai 2001 gefasste Beschluss lehnt sich deutlich an eine Regelung an, die in Großbritannien bereits seit Juli 2000 in Kraft ist. Ein Blick über den Kanal kann deshalb dabei helfen, die wahrscheinlichen Folgen dieses neuen Gesetzes ein wenig besser einzuschätzen.

In England sind rund 20 Millionen Menschen Mitglieder oder Nutznießer von Pensionsfonds, die der betrieblichen Altersvorsorge dienen. Mit einer Anlagesumme von ungefähr 800 Milliarden Pfund repräsentieren sie ein Drittel des britischen Aktienmarktes. Dadurch sind die Mitglieder dieser Fonds praktisch Großaktionäre von zahlreichen nationalen und internationalen Großunternehmen geworden. Trotz dieser Tatsache war den Mitgliedern bis zum Juli letzten Jahres normalerweise nicht bekannt, wie ihr Geld verwendet wird, es sei denn, sie hätten bewusst in einen ethischen Fonds investiert.

Mit der Änderung des „Pension Acts 1995“ müssen die Vermögensverwalter nun in einem „Statement of Investment Principles“ (SIP) veröffentlichen, inwieweit soziale, ökologische und ethische Kriterien bei ihren Entscheidungen eine Rolle spielen. Darüberhinaus werden als Maßnahmen auch „shareholder advocacy“ (zum Beispiel Wahrnehmung von Stimmrechten zur Durchsetzung ethisch-ökologischer Vorstellungen) und „engagement“ (beispielsweise konstruktive Dialoge mit Unternehmen, um deren Geschäftspraxis zu ändern) angegeben. Diese Gesetzesänderung war auf Grund eines wachsenden Druckes von NGOs und der öffentlichen Meinung auch gegen den Widerstand der „National Association of Pension Funds“ (Napf) durchgesetzt worden. In Befragungen hatten über 50 Prozent der Pensionskassenmitglieder erklärt, dass sie Unternehmen bevorzugen würden, deren Leistungen im Unweltschutz überdurchschnittlich sind und die Einführung des neuen Gesetzes wurde gar von 70 Prozent der Befragten begrüßt.

Eine Befragung der Pensionsfonds selbst durch das „UK Social Investment Forum“ erbrachte im Oktober 2000 bereits differenzierte Ergebnisse: Von den 500 befragten Fonds antworteten überhaupt nur 171, von denen 59 Prozent SRI-Kriterien anwenden wollten, 27 Prozent diese Entscheidung ihrem Fondsmanager überließen und 14 Prozent angaben, keine Integration von SRI-Kriterien zu planen. Etwa zwei Drittel der Fonds setzten sich also bereits hier über die auf Transparenz zielende Neuerung hinweg, indem sie auf eine öffentliche Anfrage überhaupt nicht antworteten.

Eine ähnliche Erfahrung machte die Gruppe „Friends of the Earth“ (FoE), die im August dieses Jahres die Ergebnisse ihrer Befragungsaktion der 100 größten englischen Pensionsfonds veröffentlichte. Hier kam es zunächst einmal zu einem Aufruf der Napf an alle ihre Mitglieder, die Befragung durch FoE zu boykottieren. Auf Grund mehrerer Nachfassaktionen gelang es dann doch, 68 Antworten zu erhalten, 13 Fonds verweigerten die Beteiligung ausdrücklich, 19 Fonds antworteten überhaupt nicht.

Auch die Auswertung der vorliegenden Antworten war noch wenig ermutigend. FoE bewertete das Ausmaß, in dem laut SIP die neuen Kriterien zur Anwendung kommen sollten, zudem das Engagement, mit dem auch Aktionärsrechte wahrgenommen werden (Stimmrechte und Dialoge) sowie Verfahren zur Überprüfung (monitoring), ob die Anlagekriterien tatsächlich eingehalten werden.

FoE stellt zwar fest, dass die meisten der großen Fonds jetzt ethische, ökologische und soziale Aspekte in ihre Anlagestrategie verbal integriert haben. Aber nur wenige verpflichten die Fondsmanager auch zum direkten Engagement mit den Firmen, in die investiert wird, um ethische Standards einzuhalten. Und noch seltener werden Monitoring-Instrumente präsentiert, die geeignet wären, nachzuprüfen, ob Verwalter und Manager der Fonds die behauptete Anlagepolitik in der Realität tatsächlich umsetzen.

FoE fordert deshalb: eine größere Offenheit der Fonds bezüglich ihrer Anlagepolitik; mehr Engagement im Bereich der direkten Einflussnahme auf Unternehmen in der Rolle des Aktionärs; bessere Instrumente und gebenenfalls Sanktionen, die dazu führen sollen, dass die angezielte Anlagepolitik tatsächlich ausgeführt wird; die Bereitstellung von mehr Ressourcen für Analyse, Monitoring und „Engagement“; einen permanenten Konsultationsprozess mit den Mitgliedern, um sicherzustellen, dass deren Bedürfnisse berücksichtigt werden.

Im Ergebnis stellt FoE fest, dass die Anbieter von Pensionsfonds noch gewaltige Anstrengungen machen müssen, wenn sie die Erwartungen von ethischen Investoren erfüllen wollen und ihre „schönen Worte zu Taten werden“ sollen.

In einer aktuellen Untersuchung hat die gewerkschaftsnahe Zeitschrift „Labour Research“ herausgefunden, dass ausgerechnet die „TUC stakeholder pension“ in ihrer „ethischen“ Variante in Zeitungsverlage investiert, die die Journalistengewerkschaft nicht anerkennen. Fondsmanager kommentierten dies mit der Bemerkung „ethisches Investment sei eben keine exakte Wissenschaft – und irgendwo müsse nun mal eine praktikable Linie gezogen werden“.

Damit treffen sie das Hauptproblem ziemlich genau: Solange es keine klaren Kriterien für „ethisches Investment“ gibt und die Interpretation von Publizitätspflichten einzig den Akteuren selbst überlassen bleibt, wird es auch in Deutschland großer Anstrengungen von externen „watchdogs“ bedürfen, um auch diesen neuen Markt einigermaßen transparent und die Angebote möglichst vergleichbar zu machen. VOLKMAR LÜBKE