Tango, Liebe und Action verqueer

Vom 12. bis 14. Oktober in Hamburg: Das erste internationale Queer Tango Argentino Festival  ■ Von Doro Wiese

Wie finden Menschen zueinander, wie drücken sich Sehnsucht und Verlangen aus? Darüber weiß der Tango viele Geschichten zu erzählen. Während die Musik ihre wehmütigen Weisen im Vierachteltakt vorantreibt, berichten die Lieder von Liebe, Heimweh, Armut und Schmerz. Und der Tanz schildert ein Spiel zwischen Zweien, das zwischen Hingabe und Verzögerung, Eigenwillen und Eingedenken verweilt.

Der Tango ist untrennbar mit der Erfahrung des Exils verbunden. Im Argentinien des ausgehenden 19. Jahrhunderts prägten europäische MigrantInnen seinen Stil ebenso wie kreolische Landflüchtlinge. Dann bahnte er sich seinen Weg über die Vorstadtquartiere von Buenos Aires nach Paris und Hollywood, geriet in Vergessenheit und fand erneute Aufnahmen und Erweiterungen. Als Musik, die in Bewegung ist und in Bewegung versetzt, gehört der Tango zu niemandem, er ist flüchtig und lädt dennoch zu Begegnungen ein.

Seiner Einladung zum Tanz folgen aber keinesfalls nur traditionelle Paarkonstellationen, sondern es finden sich auch Schwule und Lesben, Bi- und Transsexuelle sowie andere Kombinationen auf der Tanzfläche ein. Als „Queer Tango“ könnte man ein solches Geschehen begreifen, als eine den Mythos des Tango Argentino verrückende Tanzweise. Denn während der klassisch getanzte Tango Argentino unweigerlich auf eine zweigeschlechtliche und heterosexualisierte Geschlechtermatrix zurückgreift, gerät diese Eindeutigkeit beim Queer Tango aus dem Takt. Tanzen beispielsweise Frauen mit Frauen, wird das Bild des traditionellen Geschlechterverhält-nisses seiner Natürlichkeit enthoben.

Das ruft bisweilen Widerwillen hervor, so dass sich zum Beispiel ein Münchner Tangolehrer dazu aufgefordert sah, im Magazin Tango Danza sein Bild des Tanzes vor der „Auflösung der Geschlechterklischees“ zu bewahren. Für ihn beruht der Tango Argentino unweigerlich auf einer Rollenverteilung, die er mit „ich bin die Dynamik, sie ist die Präsenz, ich bin die Welle, sie ist das Meer“ umschreibt – und damit die Vorstellung von Frauen als geschichtsloser, aber gegenwärtiger Körperlichkeit fortschreibt. Aber warum sollte dieses Konzept unangefochten und unangeeignet bleiben, zumal sich der Tango in seiner Geschichte niemals der Umarbeitung entzogen hat?

Es ist der Initiative der in Hamburg ansässigen TangolehrerInnen Marga Nagel, Ute Walter und Felix Feyerabend zu verdanken, dass der Tango Argentino als queeres Experimentierfeld sein erstes internationales Festival erhält. In diesem Rahmen können vom 12. bis 14. Oktober alle Interessierten in Hamburg an Filmvorführungen, Vorträgen, Tanzveranstaltungen und Work-shops teilnehmen, die zu einer Auseinan-dersetzung mit Geschlechtsidentitäten anregen.

Dabei zeichnet sich das Programm nicht nur dadurch aus, das es eine Offenheit für jegliche erdenkliche Geschlechterkombina-tion im Tango beweist: Auch dasjenige, was beim Tanzen zwischen Zweien passiert, kann mit Hilfe anderer Tanzkonzepte als Veränderung beschrieben und erspürt werden. Klassischerweise führt im Tango Argentino der Mann und gibt dabei Richtung, Rhythmus und Zäsur vor. Die geführte Frau „verziert“ wiederum das Vorgegebene durch „kunstreiche Figuren“.

Aber diese Rollenverteilung kann in der Begegnung mit dem/der Anderen anders ertanzt und wahrgenommen werden – durch Richtungswechsel, beidseitige Interpretationen und Verzierungen. Denn der tanzende Körper spricht mehr als eine Sprache, er hat ein polyglottes Geschlecht und kann sich vielseitig ausdrücken. Im Sinne eines Queer Tangos könnte das beispielsweise heißen, Geschlecht und Begehren nicht als Eindeutigkeit zu erfahren, sondern als „Exil“ – als Unmöglichkeit einer vorausgesetzten oder erreichbaren „Heimat“.

Queer Tango Argentino Festival: 12.–14.10.; Veranstaltungshinweise unter www.queer-tango.de; Schlafplatzvermittlungund Anmeldung: queertangoteam@hotmail.com oder Tel. 43 17 47 86; Festival-Infocafé ab Fr, 12.10., 15 Uhr, Baladin, Stresemannstr. 374, Eröffnungsball: Fr, 12.10., 21.30 Uhr, Al Puerto, Bernhard-Nocht-Str. 12