Neustes Presserecht

Polizei durchsucht Dresdener „Bild“-Zeitung nach Informanten. „Bild“-Chef protestiert. Bundesrat stoppt neues Zeugnisverweigerungsrecht

DRESDEN taz ■ Die sächsische Staatsanwaltschaft hat gestern die Räume der Bild-Redaktion in Dresden durchsucht. Ziel der eineinhalbstündigen Hausdurchsuchung sei es gewesen, „die Identität eines Zeugen“ festzustellen, begründete Staatsanwalt Claus Bogner die Aktion gegenüber der taz.

Bild-Chefredakteur Kai Dieckmann nannte das ohne vorherige Anhörung erfolgte Vorgehen der Ermittlungsbehörden „verfassungswidrig“. Es greife „in unerträglicher Weise in die Pressefreiheit ein“, kritisierte der Bild-Chef. Dies meinte auch der stellvertretende Vorsitzende der Mediengewerkschaft Ver.di, Gerd Nies. „Die Achtung der Pressefreiheit im Sinne unserer Verfassung erfordert, dass ein Geschehnis wie in Dresden ausgeschlossen ist“, sagte Nies.

Die Bild-Zeitung aus Dresden hatte am 19. Februar 2001 nach dem Hinweis eines Informaten über ein Umweltverbrechen auf einem sächsischen Ökogut berichtet. Aufgrund der Recherchen konnte der mutmaßliche Täter – er hatte 60 Liter Altöl ins Erdreich gekippt – ermittelt werden. Die Staatsanwaltschaft wollte diesen Zeugen durch die Beschlagnahme von Materialien ermitteln. Die Polizei sei bei ihrer Suche zwar nicht erfolgreich gewesen, ein solches Vorgehen hätte er in seiner dreißigjährigen journalistischen Tätigkeit allerdings noch nie erlebt, sagte der Leiter der Bild-Lokalredaktion Dresden, Klaus Reif. Die Bild-Zeitung legte beim Amtsgericht in Dresden Beschwerde ein.

Nach geltender Gesetzeslage hat sich die sächsische Staatsanwaltschaft wohl korrekt verhalten. Sie darf nach derzeitigem Recht „selbst recherchierte“ Materialien beschlagnahmen und so Informanten von Journalisten ermitteln. Medienverbände kritisieren seit langem, dass diese Regelung das verbürgte Zeugnisverweigerungsrecht der Journalisten unterlaufe. Aus diesem Grund wird zur Zeit eine Änderung der Strafprozessordnung angestrebt. Das Zeungnisverweigerungsrecht soll sich zukünftig auf alle „journalistischen Wahrnehmungen“ einschließlich der „selbst recherchierten“ Informationen erstrecken. Der Bundesrat stoppte jetzt die vom Bundestag beschlossene Änderung der Strafprozessordnung, indem er den Vermittlungsausschuss anrief. Die Neuregelungen seien zu weitgehend. Auch die Interessen der Ermittlungsbehörden seien zu berücksichtigen. HEIKO HÄNSEL