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: Jäh, jäh, jäh

Trotz angespannter Weltsituation: Brennen lassen

Warum der Sohn betteln muss? Weil die Stricher so teuer sind. Stammt leider nicht von mir, diese Antwort auf die Filzstiftfragen des enervierenden Kreuzberg-Beschrifters, sondern von einem Unbekannten, der sich, wenn er das hier liest, bitte sofort bei der taz melden soll. Ich will mit ihm die „momentan angespannte Weltsituation“ eine „momentan angespannte Weltsituation“ sein lassen und einen trinken gehen.

Denn das ist doch eine zu und zu schöne Antwort. Und nicht mal Multiplechoice. Was mich daran erinnert, dass ich damals, als ich noch bei einem Meinungsforschungsinstitut arbeiten musste, als allererste Telefonumfrage eine BH-Statistik ausführen sollte. „Guten Tag, Sie sind zufällig ausgewählt worden für eine kurze Umfrage . . . Tragen Sie einen BH? Wenn ja, warum? Ich lese Ihnen mal die möglichen Antworten vor: 1. weil ich BHs sexy finde, 2. weil mein Partner BHs sexy findet, oder 3. weil ich es leider nötig habe.“ Tolle Antworten, nicht wahr? Vor allem die dritte. Meine Karriere als Meinungsforscherin kam so zu einem jähen Ende.

Recht jäh brach auch der gestrige Abend ab, an dem ich, wild, wild geschminkt und wild entschlossen, mit Tony Marshall ins Bett gehen wollte, nur sinnbildlich natürlich: „und wenn die andern dann zur Arbeit gehen, dann saa-gen wii-r gut’ Nacht . . .“ Ich sollte weiter ausholen. Das Schicksal hatte mich neulich eine Woche lang auf ein Schiff mit 80 80-Jährigen gefesselt: ich war abends einen trinken gewesen, und als ich wieder aufwachte, trug ich eine Rettungsweste und schmierte in einer schwankenden Kombüse Matjesbrötchen. Mit diesem Erlebnis im Rücken war ich gestern in absoluter „When she says go, she means go!go!go!“-Laune. Ich wollte an beiden Enden brennen! Nachdem man so engen Kontakt mit Prothesen gehabt hat, mit abendlichem Bingospiel, mit Mägen, die zu empfindlich für alles sind, weiß man erst, wie schön die Zeit unter 80 ist. Darum hatte ich den Abend als Megasause geplant. Als ich aber, gestiefelt und gespornt, noch kurz am Fernseher vorbeihüpfte, fesselte mich ein Multiple-Choice-Millionen-Quiz. Ein hochnäsiger Mittzwanziger war am Zuge, in dem ich einen ehemaligen Meinungsforschungskollegen erkannte. Und es ging bereits um 250.000 Mark. Ich las die Frage mit: „Wen spielte Harrison Ford in ‚Star Wars‘?“ Antwort 1: Han Solo, Antwort 2: Han Uta, Antwort 3.: Han Dtuch, Antwort 4: Han Niundnanni“. Der Idiot nahm die 4.

Ich brach, und das nicht mal wegen der „momentan angespannten usw.“, in Tränen aus. Zwar tat mir der Idiot nicht Leid, ich stellte mir sogar vor, wie seine Clique ihn hämisch mit „Hanni und Nanni“-Büchern erwartet, wie er nie wieder „Dallas“ gucken kann, weil ihn J. R. Ewings Synchronstimme zu sehr an Harrison Ford erinnert. Auch der Wissensfakt an sich ist zweitrangig. „Star Wars“ überzeugt nur medioker, weil Han Solos Synchronstimme einen immer an J. R. Ewing erinnert. Und Filmen, in denen Wesen Obi heißen, über die sich alberne 80er-Jahre-Männer, die 1976 zwölf waren, stundenlang unterhalten und mit imaginären Laserschwerten kämpfen, sollte man zwiegespalten gegenüberstehen. Nein, der Abend war jäh ruiniert, weil mir plötzlich einer der traurigsten Multiple-Choice-Fragen meiner Meinungsforscherinnenlaufbahn einfiel: „Und noch eine Frage zur Statistik. Zu welcher Altersstufe gehören Sie? 1. 20 bis 40, 2. 40 bis 60, 3. 60 bis 80, 4. 80 und älter“. Keiner hatte diese Frage je mit „4“ beantwortet.

JENNI ZYLKA