Im Norden wohnt die Hoffnung

Michael Zähs „Zeitung zum Sonntag“ verhandelt ums Überleben. Der nächste Sonntag könnte der letzte sein

FREIBURG taz ■ Die Leute bei der Zeitung zum Sonntag kennen das schon: Wieder einmal könnte heute die Entscheidung fallen, ob sie das kostenlose Sonntagsblatt für Freiburg und Umgebung weiter machen können – oder auf der Straße landen.

Eigentlich sollte schon vor zehn Tagen zur ersten Gläubigerversammlung alles unter Dach und Fach sein: Insolvenzverwalter Heinz Pantaleon genannt Stemberg verhandelt seit längerem mit einem norddeutschen Verlagshaus über dessen Einstieg bei der Michael Zäh AG. Nun heißt es, diese Gespräche seien nochmals vertagt worden. Dass mit dem norddeutschen Verlagshaus der Hamburger Jahreszeiten-Verlag (Woche, Für Sie) gemeint ist, will derzeit niemand bestätigen, allerdings kooperiert man bereits: Abonnenten von Zähs eingestellter, kostenpflichtiger Tageszeitung zus (siehe taz vom 7. Juni) erhalten als kleine Entschädigung die Woche.

Vom Erfolg solcher Nord-Verhandlungen hänge dann auch das weitere Engagement des Offenburger Verlegers Peter Reiff (Offenburger Tageblatt) über den 30. September hinaus ab, ließ Stemberg die Gläubiger wissen. Reiff ist mehrheitlich am der Zeitung zum Sonntag beteiligt und hält seit dem Börsengang der Zäh AG im Sommer letzten Jahres 15 Prozent am Gesamtunternehmen.

Das Blatt sei noch bis Ende September finanziell abgesichert, hatte Stemberg auf Anfrage eines Gläubigers Mitte des Monats erklärt, ob und in welchem Umfang die Zeitung zum Sonntag in Freiburg ab Oktober verteilt wird – im Umland wird sie ohnehin nur noch an einzelnen Stellen ausgelegt – ist also offen.

Zu Beginn des Verfahrens lagen dem Insolvenzverwalter 500 Forderungen in einer Gesamthöhe von elf Millionen Mark vor. Stemberg rechnet allerdings mit deutlich mehr, denn die meisten der rund 6.000 Abonnenten der zus haben ihre Forderungen bisher nicht geltend gemacht. Deren genaue Höhe festzustellen, dürfte zudem äußerst schwierig werden: Zähs innovatives Abo-Konzept, die so genannte Yellow Card, bot den Abonnenten neben der zus eine ganze Reihe von Dreingaben – vom Mietwagen bis zu Theaterkarten. Wer diese Leistungen in welchem Umfang genutzt hat, ist heute kaum mehr in Erfahrung zu bringen.

Und festzustellen, wer überhaupt Ansprüche an die Zäh AG hat, war schon im Vorfeld der Gläubigerversammlung schwer: Die Buchhaltung hatte nur einen geringen Einblick in die Geschäftsvorgänge Zähs, Zwischenberichte des Vorstands lagen nicht vor. Als Zäh die Leasingraten für die Computer in seinen Büros nicht mehr aufbringen konnte, kauften die Mitarbeiter ihre eigenen Geräte von der Leasingfirma zurück.

Ein Teil der Arbeit des Insolvenzverwalters besteht heute auch darin, enttäuschten Aktionären der Zäh AG klarzumachen, dass sie keine Forderungen geltend machen können, sondern ihr Geld futsch ist: Die Aktie, Ausgabepreis 5,60 Euro, ist heute noch fünf Cent wert.

Einer hatte übrigens schon vor zehn Tagen bei der Gläubiger-Versammlung gefehlt: Michael Zäh selbst. Sein Sympathiebonus, den er bei Mitarbeitern und Lesern wegen der unkonventionellen Ideen genoss, mit der die Freiburger Zeitungslandschaft aufmischte, ist mittlerweile verspielt. JENS BARTILLA