„Das tut weh“

Nach dem 0:4 gegen Werder Bremen steht dem Hamburger SV eine schwere Zeit im Niemandsland bevor

HAMBURG taz ■ Mit hängenden Schultern und gesenktem Haupt schlenderte der HSV-Vorsitzende Werner Hackmann noch vor der Halbzeitpause über den Parkplatz der Hamburger Arena. Schuld für diese Szene war wieder einmal die sportliche Leistung des HSV. Zu diesem Zeitpunkt stand es bereits 2:0 für die Bremer Gäste. Ein Sinnbild für das, was HSV-Kapitän Nico Jan Hoogma nach 90 Minuten mit einem treffenden „Das tut weh“ kommentierte.

0:4 hieß das Endergebnis. Von der „schwärzesten Stunde des HSV“ sprach der Präsident anschließend und machte einen ähnlich unglücklichen Eindruck wie bei der Entlassung von Frank Pagelsdorf. Noch vor einer Woche stärkte Hackmann seinem Trainer den Rücken. Zuvor hatte er ihn mit der Forderung nach sechs Punkten aus zwei Heimspielen mächtig unter Druck gesetzt. Vergangene Woche siegten dann die Leute, die für einen Rauswurf Pagelsdorfs plädierten. Also verabschiedete man Pagelsdorf noch vor dem Spiel gegen Werder und erhoffte sich durch diese „Wischi-Waschi-Entscheidung“ (Nico Jan Hoogma) eine Trotzreaktion der Spieler. „Eine Trotzreaktion ist doch Blödsinn, wenn die Mannschaft hinter dem Trainer steht“, stellte HSV-Torwart Martin Pieckenhagen nach der Niederlage klar.

Das Abendblatt bezeichnet Hackmann als „Umfaller“, und zusehends schwindet das Vertrauen der Mannschaft in ihren Präsidenten. Viel Kritik für den ehemaligen Innensenator Hamburgs, der im Zuge des Hamburger Polizeiskandals 1994 schon einmal einen Posten fluchtartig verließ. „Ich habe damals kurzfristig meinen Senatoren-Sessel geräumt. So einen Fehler mache ich nicht noch einmal“, sagte Hackmann der Zeitung. Das Dilemma des HSV dagegen ist eine Folge des zu Kopf gestiegenen kurzfristigen Erfolgs. Siehe: Erreichen der Champions League im vergangenen Jahr. Werner Hackmann nannte es damals einen „positiven Betriebsunfall“ und konnte dennoch das Ziel, sich doch nun bitte schön für den europäischen Wettbewerb zu qualifizieren, innerhalb des Vereins nicht durchsetzen. Ein hausgemachtes Problem des Präsidenten und seiner Führungskräfte. Von denen setzte sich dann auch Sportdirektor Holger Hieronymus als Interims-Teamchef auf die Trainerbank.

Gemeinsam mit dem bisherigen Assistenztrainer von Frank Pagelsdorf, Armin Reutershahn, versucht der smarte Ex-Profi die Krise zu managen. Wie unter Pagelsdorf wurde mit einer typischen 3-4-3-Aufstellung begonnen, wobei der genesene Sergej Barbarez als vierte Spitze spielte. Ein System, das in den besten Hamburger Tagen Pate für tollen Offensivfußball stand, in den zähen Monaten der sportlichen Unsicherheit aber nicht mehr greifen wollte und vor allem Lücken in der Abwehr aufdeckt. „Nach dem 0:1 haben wir die Stabilität verloren und jedes taktische Konzept über den Haufen geworfen“, sagt Armin Reutershahn und versucht sich an einer Erklärung für die komplette Verunsicherung des HSV.

Das liegt auch an der Einkaufspolitik des Hamburger Sportvereins. Nach dem Weggang von Niko Kovac zu den Bayern wurde Jörg Albertz verpflichtet, dem es nicht gelingt, Ordnung in das Hamburger Mittelfeld zu bringen. Er zeichnete sich gegen Bremen eher als vierter Abwehrspieler aus. „Man muss doch da sein, wo es brennt“, beschreibt Albertz sein Spiel. Beim HSV ist er demnach gut aufgehoben. Kapitän Hoogma dagegen fragt sich, „ob unsere taktische Ausrichtung richtig ist. Wir stehen mit quasi vier Stürmern auf dem Platz, wollen über außen kommen, erarbeiten uns kaum Chancen und stehen hinten schlecht.“

Holger Hieronymus will nun mit „viel Reden“ seine Mannschaft wieder auf unbestimmten Kurs bringen. Vielleicht sollte er Sergej Barbarez nach der Richtung fragen. Der sieht den HSV nach der schwachen und ängstlichen Leistung gegen Bremen „im Abstiegskampf – zumindest die erste Halbserie lang“. Barbarez scheint derzeit einer von wenigen zu sein, die in der Lage sind, die Ziele des HSV mit Geistesgegenwart einzuschätzen.

OKE GÖTTLICH