„Das sind nur einzelne Aktivisten“

Klaus Landfried, Chef der Hochschulrektorenkonferenz, über Fundamentalisten an deutschen Unis und Terroristen, die sich als Studenten tarnen. Jetzt die Schotten dichtzumachen, hält er für falsch. Unis sollen Orte der Begegnung bleiben

taz: Herr Landfried, inzwischen stehen neben den drei ermittelten Tätern weitere vier ehemalige Studenten deutscher Hochschulen in Verdacht, an den Terroranschlägen in den USA beteiligt gewesen zu sein. Sind die deutschen Universitäten der ideale „Ruheraum“ für Terroristen?

Klaus Landfried: Ich halte diese Diskussion für falsch. Die deutschen Hochschulen sind ein Ort, an dem sich die Nationen begegnen. Deutsche und ausländische Studierende erhalten die Chance, Wissenschaft als etwas nicht Nationales und nicht Religiöses zu erleben. Die Universitäten tragen zum Abbau von Vorurteilen bei. Die Attentäter waren offensichtlich dagegen bereits immunisiert. Ich darf daran erinnern, dass es – im Großen und Ganzen – an deutschen Hochschulen keinen Rechtsradikalismus gibt. Es gibt Ausnahmen, aber es gibt keine Gewalttaten gegen ausländische Studierende, keine Rassenhetze.

Wie können die Hochschulen gegen Terroristen vorgehen?

Die Terroristen waren an unseren Hochschulen eingeschrieben. Das muss uns betroffen machen. Aber ich sage deutlich: Es gibt keine Handhabe dagegen. Das waren Leute, die in ihrem bisherigen Arbeits- und Studienleben nicht auffällig geworden waren. Eben das, was man mit der Bezeichnung „Schläfer“ umschreibt.

Sehen Sie über die Studentenauswahl wirklich gar keine Möglichkeit der Terrorismusbekämpfung?

Was glauben Sie, sollen wir denn machen? Die Universitäten können ihre Studierenden nicht nach kriminologischen Kriterien auswählen, sondern während des Studiums schauen, ob sie geeignet sind. Bei der Einschreibung geht es nur um die Hochschulzugangsberechtigung. Diese Prüfung hat mit Terrorismusbekämpfung nichts zu tun. Die Schlussfolgerung, die einige Leute ziehen: Schotten dicht und keine Ausländer islamischer Konfession mehr immatrikulieren, halte ich für vollkommen abwegig.

Könnten Sie sich eine Kooperation mit den Ermittlungsbehörden vorstellen?

Ja, natürlich. Wenn es einen Anfangsverdacht gibt, muss man kooperieren. Die Bedrohung ist ja real. Das darf allerdings nicht in ein allgemeines Spitzelunwesen ausarten. Die Weitergabe von Informationen und das gemeinsame Agieren im konkreten Verdachtsfall halte ich für eine staatsbürgerliche Pflicht.

Hat nach Ihrer Beobachtung die Aktivität islamistischer Gruppen an den Hochschulen, die einen möglichen Nährboden für die Terroristen bilden, im letzten Jahrzehnt zugenommen?

Islamistische Gruppen im Sinne von „fundamentalistisch“ treten an den Hochschulen fast gar nicht in Erscheinung. Ich kann mich nicht entsinnen, dass ich ihnen begegnet wäre. Und ich komme nun wirklich viel rum. Das sind immer nur einzelne Aktivisten. Ihre Hochschulzugehörigkeit ist eher ein Zufall.

Manche Leute sagen, unsere Hochschulen seien einfach zu tolerant.

Aber entschuldigen Sie, die mutmaßlichen Terroristen sind eben nicht als Aktivisten aufgetreten. Die Islamisten vertreten zwar ideologisch ähnliche Auffassungen, werden jedoch in Deutschland – jedenfalls bisher – nicht gewalttätig.

Aber der Vorsitzende der Islam AG an der Hamburger Uni, Mohamed El Amir Atta, war einer der Todespiloten.

Richtig. Soweit ich informiert bin, war an der Harburger Islam AG jedoch nichts auszusetzen. Sie war etwas ganz Normales. So wie es eine katholische, evangelische oder jüdische Studentengruppe gibt. Gegen eine islamische Studentengemeinde, die einen Raum hat, um ihre Gebete zu verrichten und sich kooperativ verhält, ist nichts einzuwenden. Alle religiösen Gruppen, auch die konservativen, haben ihren Platz an der Hochschule. Auch für sie gilt die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit.

INTERVIEW: HEIKO HÄNSEL