e-mail aus new york

■ Der Bremer taz-Zeichner Til Mette will in diesen Tagen nicht malen

auch am ende dieser schrecklichen woche laesst einen dieses kranke gefuehl der hilflosigkeit nicht los. vielleicht hilft es einem mehr, wenn man mit eigenen augen die truemmer, den rauch und die menschen sieht, die versuchen, im sueden von manhattan das chaos zu bewaeltigen. daher bin ich am donnerstag nach manhattan gefahren. auf dem highway sieht man junge burschen als anhalter mit ruehrigen pappschildern „volunteer WTC“, vorher die nachricht im radio, dass viel zu viele freiwillige an den truemmern rumstehen und weggeschickt werden. es kommen mehr nachrichten, was man nicht braucht, als was man braucht.

ueberall sieht man amerikanische flaggen. ein faehnchen an dem rostigen lila klapprad einer verwirrten alten dame, eine grosse flagge an einem auto mit groelenden jungen maennern. maenner der heilsarmee schleppen schwitzend und stoehnend kanister mit trinkwasser heran.

gleichzeitig ueberall der zaghafte versuch zur rueckkehr in die normalitaet. in einem geschaeft verlaufen sich vermeintliche kunden, starren in die auslage, werden aber von keinem der herumstehendem verkaeufern mit dem sonst ueblichen „hi, can i help you“ gestoert. viele kunden stehen einfach nur im voellig verloren im laden rum. auf einem auto, das noch vom staub der zusammenfallenden twin tower bedeckt ist, hat jemand mit dem finger: „wash me, please“ gekrakelt. auf dem weg nach hause fahren mehrere dump trucks voller truemmer an mir vorbei. ueberholt mich da gerade das world trade center?

zuhause in montclair, einem suburb von new york, sehe ich in unserer strasse auf jedem grundstueck kleine amerikanische plastikflaggen aufgestellt. auch an unserem haus. ich nehme die flagge vom rasen und sehe, dass eine uebergrosse visitenkarte eines grundstuecksmaklers unter der flagge an dem holzstoeckchen haengt. drauf steht: „dies ist der tag, unsere flagge zu zeigen.“ alle nachbarn lassen die fahne im vorgarten stehen. die einzigen, die nun keine flaggen auf dem rasen haben, sind wir und unser syrischer nachbar. eigentlich moechte ich mich in meinen vorgarten stellen und allen vorbeikommenden menschen ausfuehrlich erklaeren, dass wir deutsche sind und deshalb da so unser problem haben mit flaggen und all dem patriotischen pi-pa-po.

heute morgen habeich dann aber doch aus einem alten schwarzen t-shirt einen lappen ausgeschnitten, den an ein kleines stoeckchen gemacht und neben den briefkasten gehaengt. ich hoffe nur, dass man dieses nun nicht fuer einen jubellappen der taliban haelt.