Mein Feind, der Baum

■ Gibt es Überlegungen, die Bremer Baumschutzverordnung abzuschaffen? Angeblich werden einige Bäume nur gefällt, damit ohne Schutzbestimmungen munter gebaut werden darf.

Seit 1966 gibt es in Bremen eine Baumschutzverordnung, die älteste Deutschlandes. Allerdings wurde bereits 1995 der Schutzumfang verkleinert: Statt bei 80 Zentimetern Stammumfang setzt Schutz jetzt erst bei 100 Zentimetern ein. Damit fielen gut Drittel der bisher geschützen Bremer Bäume aus dem Anwendnungsbereich der Baumschutzverordnung heraus.

Das ist manchem noch nicht genug. Der ehemalige Innensenator Peter Sakuth (SPD) hat jetzt in einer Zeitschrift der Bauwirtschaft namens „BAUEN in und um Bremen“ angedeutet, dass die Baumschutzverordnung weniger strikt gehandhabt oder sogar ganz abgeschafft werden soll. Grund: Diese Verordnung verhindere eine ordentliche Stadtentwicklung in Bremen. Außerdem sei sie kontraproduktiv, viele Bäume würden vorzeitig gefällt, „weil niemand den Zeitpunkt verpassen will, bis er einen Baum – ohne langes Verfahren – wieder fällen darf.“

Bei der Bremer Umweltsbehörde heißt es, man wisse von einer geplanten Abschaffung oder Abänderung der Baumschutzverordnung nichts. Aber natürlich würde regelmäßig die Effektivität von Umweltschutznormen überprüft. Ansonsten mochte man keinen weiteren Kommentar abgeben. Auch Sakuth sagte nicht, woher er von den angeblichen Planungen weiß.

Beim Naturschutzbund Deutschland (NABU) ist man überrascht, dass die Baumschutzverordnung möglicherweise noch mehr aufgeweicht werden sollte. Wo Bremen doch mit dem 100 Zentimeter Mindestmaß schon eine der schlechtesten Baumschutzverordnung in Deutschland haben, meint Detlev Laabs-Wrieden.

Außerdem werde die Baumschutzverordnung ohnehin nur mangelhaft umgesetzt: Man habe festgestellt, dass nicht alle Bezirksleiter, welche die Baustellen behördlich beaufsichtigen sollen, kontrollieren, ob die Baumschutzverordnung auch eingehalten wird – und bei der derzeitigen Masse an Baustellen komme die Behörde überhaupt nicht mehr mit.

Führt die Baumschutzverordnung also zur Vernichtung von Bäumen, weil vorher abgeholzt wird? Das glaubt Laabs-Wrieden nicht. Er weist darauf hin, dass ein Baum einen Stammumfang von 100 Zentimteren erst nach 50 Jahren erreiche. Übereilte Fällaktionen, weil ein Baum knapp vor der Anwendungsgrenze der Baumschutzverordnung stehe, seien deswegen nicht zu erwarten. Das ganze Problem sei wohl aufgebauscht. Er glaube, dass weniger einzelne Hauseigentümer ein Problem mit der Baumschutzverordnung haben als die großen Baugesellschaften. Ob die hinter dem Vorstoß zur Abschaffung der Baumschutzverordnung stecken könnten?

Der Naturschutzbund moniert außerdem, es könne nicht angehen, dass die Bäume in öffentlicher Hand faktisch von der Baumschutzverordnung ausgenommen seien. „Stadtgrün hat einen Freibrief, es muss die Umweltbehörde nicht fragen, ob es öffentliche Bäume fällen darf“, sagt Laabs-Wrieden. Das sei umso Schlimmer, weil Stadtgrün sehr gerne Bäume fällt, wie selbst Vertreter der Umwelbehörde vermuten.

Sönke Hofman vom NABU wird noch deutlicher: „Stadtgrün liefert eine Sauerei ab!“ Und das werde noch mit „Totschlagargumenten“gerechtfertigt, zum Beispiel die Fällaktionen in den Wallanlagen, schimpft Hoffmann: Da würden Lichtschneisen geschaffen, um etwaigigen Vergewaltigungen oder Raubüberfällen vorzubeugen. Klar, will auch der NABU nicht, dass solche schweren Verbrechen passierten, hält aber diese Begründungen für vorgeschoben.

In Oldenburg wurde vor einigen Jahren ein Volksenscheid durchgeführt. Er richtete sich gegen die Baumschutzverordnung. Hofmann: „Der Entscheid ist mit Hurrah durchgekommen – es gibt eben überall Spießer, die sich über Birkensamen auf ihrem Waschbeton aufregen“

Tom Brägelmann