Flüchtlingsschiff geentert

Australiens Kriegsmarine holt in internationalen Gewässern widerstrebende Flüchtlinge von ihrem Schiff und verfrachtet sie auf einen Truppentransporter

MELBOURNE taz ■ Australiens konservative Regierung hat das Vorgehen gegen die wachsende Zahl der an ihren Küsten Schutz suchenden Bootsflüchtlinge am Wochenende weiter verschärft. Auf hoher See, in internationalen Gewässern zwischen Indonesien und dem zu Australien gehörenden Ashmore Riff, brachte eine australische Fregatte in der Nacht zu Samstag ein Schiff mit Asylsuchenden auf. Die widerstrebenden 237 Männer, Frauen und Kinder unbekannter Herkunft wurden von Bord geholt und auf den Truppentransporter „Manoora“ gebracht.

Der hat bereits 430 schiffsbrüchige Asylsuchende vom norwegischen Frachter „Tampa“ an Bord und ist mit ihnen nach Papua-Neuguinea unterwegs. Premier John Howard wollte die Flüchtlinge der „Tampa“ auf keinen Fall nach Australien lassen und lehnte auch die dortige Bearbeitung der Asylbegehren ab.

„Das Stoppen eines Schiffes auf hoher See verstößt gegen ein 400 Jahre altes Gesetz der See“, warnte gestern der Seerechtsexperte der Australian National University in Canberra, Jean-Pierre Fonteyne. Australische Menschenrechtler rücken das Verhalten der Regierung gar in die Nähe von Piraterie. Howard begründete das Abfangen des Schiffes mit Kurs auf Australien damit, dass es keinen Namen und Heimathafen an seinem Rumpf gehabt und auch keine Flagge gehisst hätte. Die Aufforderung der australischen Fregatte zum Umdrehen sei ignoriert worden.

Vor seinem Abflug zu politischen Gesprächen in den USA kündigte Howard an, dem Parlament in der nächsten Woche eine Novelle zum Zuwanderungsgesetz vorzulegen. Darin sollen die australischen Territorien Weihnachtsinsel und Ashmore Riff, die den Bootsflüchtlingen bisher als Hauptanlaufstellen dienten, aus der australischen „Einzugszone“ quasi „ausgebürgert“ und somit zu Exklaven erklärt werden – und das rückwirkend ab letzten Samstag.

Einwanderungsminister Philip Ruddock erläuterte gestern, dass dann Bootsflüchtlinge, die auf einer dieser vom australischen Festland weit entfernten Inseln landen, nicht mehr das Recht haben würden, von dort aus Asyl zu beantragen. Sie würden zwar „diese Inseln erreichen, damit aber noch nicht Australien“, so Ruddock. Die Flüchtlinge müssten noch tausende Meilen weiter zum australischen Festland fahren, um Asyl beantragen zu können.

Optimistisch meinte der Einwanderungsminister, die Gesetzesänderung würde den überwiegend von asiatischen Syndikaten betriebenen Menschenschmuggel weniger lukrativ machen und schließlich stoppen. Die oppositionelle Labor Party hat bereits signalisiert, sie würde der Novelle zustimmen. Ohne diese Unterstützung würde die neue Gesetzgebung nicht den Senat passieren können. Australische Rechtsgelehrte kritisieren jedoch die neue Initiative. Der Seerechtsexperte Fonteyne sagte gestern, Canberra würde „eklatant gegen internationale Gesetze verstoßen“, wenn es erkärte, dass „in einigen Teilen Australiens die internationalen Verbindlichkeiten nicht gelten, weil sie nicht Teil Australiens sind.“

Die starke Kritik des Auslands an Canberras harter Flüchtlingspolitik beeindruckt Premierminister Howard wenig, mache ihn aber „verrückt wie eine Hornisse“, wie er dem Sydney Morning Herald erklärte. Sein hartes Vorgehen gegen die Asylsuchenden befürwortet Umfragen zufolge aber die Mehrheit der Bevölkerung. Das hat der in letzter Zeit gefährlich abgebröckelten Popularität der Konservativen wieder zum Aufschwung verholfen. Das könnte Howard auch die von vielen bereits verloren geglaubte Wiederwahl im November sichern. Doch es gibt auch Proteste. Gestern gingen in Sydney hunderte gegen die Flüchtlingspolitik auf die Straße. In Sprechchören warfen sie der Regierung Rassismus vor. BORIS B. BEHRSING