Blumen gießen, Vögel füttern, Stellen streichen

Die Chefin des neuen Computerriesen, einzige Frau unter Amerikas wichtigsten Wirtschaftslenkern, gilt vielen Managerinnen als Vorbild

Keine Frau der Welt gebietet über mehr Angestellte (145.000) und Marktmacht als die Chefin des künftigen Computerriesen Hewlett Packard-Compaq. Zusammen mit den Bossen von Microsoft, IBM und Co. bestimmt Cara Carleton Fiorina die Geschicke der Computerbranche.

„Carly“ Fiorina ist die erste Frau an der Spitze eines Konzerns, der zum exklusiven Dow-30-Club zählt – den 30 wertvollsten Firmen der USA, die im Aktienindex von Dow Jones zusammengefasst sind. Morgen wird sie 47 Jahre alt und hat sich mit der Fusion vorzeitig ein kleines Geburtstagsgeschenk zukommen lassen. Angefangen hat die Tochter eines Jura-Professors als Studentin der mittelalterlichen Geschichte, Philosophie und schließlich Betriebswirtschaft. Nach einer 20-jährigen Karriere beim Telefonriesen AT&T und seiner Techniktochter Lucent wurde sie von Hewlett Packard abgeworben.

Nachdem HP stagnierende Zahlen bei Umsatz und Gewinn melden musste, wurde Fiorina im Juli 1999 Vorstandschefin – „CEO“, wie die US-Amerikaner ihre „Chief Executive Officers“ kurz nennen. Sie kündigte diversen Managern, schrumpfte die Zahl der selbständigen Geschäftseinheiten des Konzerns von 83 auf 12 und führte eine strikte Bezahlung nach Erfolg ein. Das verbesserte Image und Bilanzzahlen von HP.

Ihr Ehemann ließ sich früh pensionieren und betreut zu Hause seine beiden Kinder aus erster Ehe. Seitdem ist Fiorina, die jeden Morgen um vier die Blumen gießt und die Vögel füttert, ein Vorbild für viele Businessfrauen geworden. Chefinnen anderer Firmen kopieren ihr Äußeres und ihr Image, um etwas vom Glanz der berühmten Firma HP und ihrer fotogenen Chefin abzubekommen.

Die 46-jährige und ihre PR-Abteilung nutzen den besonderen Werbeeffekt einer Frau an der Spitze weidlich aus. Die Männer der Branche haben zwar teilweise weit freakigere Biografien, bauen die größeren Häuser und segeln die größten Yachten der Welt. Doch wenn die blond getönte Fiorina je nach Zweck wie Diana oder Madonna guckt und feine Armani-Anzüge trägt, sind prominente Bilder in den wichtigsten Medien garantiert.

Dabei ist sie bei den Faktenfressern zunehmend umstritten: Aktienexperten beklagen, dass ihren vollmundigen Ankündigungen über Umsatz- und Gewinnsteigerungen bei weitem nicht realisiert wurden. Auch der Umbau HPs zum Anbieter von Beratung und Service rund um den Computer stockt.

Gar nicht gut angesehen ist sie auch bei Gewerkschaften und alternativen Konzernbeobachtern: In einem dramatischen Aufruf bat sie die Belegschaft um freiwillige Gehaltskürzungen, damit Stellenstreichungen vermieden werden könnten. Ein Großteil der Mitarbeiter stimmte zu – entlassen wurde trotzdem.

Eine Untersuchung der US-Gruppe United for a Fair Economy zeigte, dass sich Fiorina gut behauptet in einer zweifelhaften Spitzengruppe – den Entlassungskönigen des Jahres 2000 in den USA. Ihr Jahresgehalt liegt mit Bonus weit über drei Millionen Dollar. Relativ gesehen, ist sie mit dieser Zahl allerdings ein Opfer der Diskriminierung – nicht anders als viele Geschlechtsgenossinnen in niedrigeren Rängen: Männliche Computerbosse und Chefs vergleichbar großer Firmen verdienten im vergangenen Jahr meist wesentlich mehr als die einzige Frau in ihrer Runde. Das Mitleid in den USA ist jedoch begrenzt, erhielt sie doch zur Einstellung 1999 HP-Aktien im Wert von knapp 66 Millionen Dollar.

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