Noch kein „gläserner Staat“ in Sicht

Rot-Grün will Bürgern Einsicht in Verwaltungsakten geben. Doch der Gesetzentwurf zur Informationsfreiheit stockt

BERLIN taz ■ Eines der „kleineren“ Reformprojekte der rot-grünen Bundesregierung stockt: das Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Es soll allen Bürgern ermöglichen, Akten von Bundesbehörden einzusehen – unabhängig von ihrer persönlichen Betroffenheit. Doch die Verabschiedung eines bereits vorliegenden Referentenentwurfes aus dem Innenministerium lässt auf sich warten. Die medienpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Grietje Bettin, forderte daher gestern die Regierung auf, den Entwurf noch in den nächsten drei Monaten im Kabinett zu verabschieden. „Sonst ist es mit dem Informationsfreiheitsgesetz in dieser Legislaturperiode vorbei“, sagte Bettin.

Das Gesetz ist im Koalitionsvertrag von SPD und Grünen vereinbart. Derzeit wird der Entwurf des Innenministeriums mit den anderen Bundesministerien abgestimmt. Allerdings gibt es in den Bundesverwaltungen, die von dem Gesetz am stärksten betroffen sein werden, Widerstände gegen die Neuerung. Diese befürchten Mehrkosten und erhöhten Personalaufwand.

Zudem stellt die Möglichkeit, dass Bürger oder Journalisten Akteneinsicht in laufende Vorgänge nehmen können, die Ministerien „vor eine gänzlich veränderte Situation“, glaubt Bettin.

Gemeinsam mit der medienpolitischen Sprecherin der Grünen nahm gestern auch der Berliner Datenschutzbeauftragte, Hansjürgen Garstka, Stellung zu dem Gesetzentwurf. Aus seiner Sicht sei es am wichtigsten, dass das Gesetz überhaupt verabschiedet werde. Der vorliegende Entwurf sei „positiv“ zu bewerten, so Garstka.

Allerdings mahnte der Berliner Datenschutzbeauftragte Verbesserungen an. Sowohl für Positiv- als auch für Negativbescheide über eine Akteneinsicht müssten klare Fristen gesetzt werden. Ob diese zwei, vier oder sechs Wochen betragen, sei „egal“, sagte Garstka. Eine Fristsetzung sieht der Entwurf zum Informationsfreiheitsgesetz nämlich bisher nicht vor. Zudem müsse die Frage der Gebühren klar geregelt werden, so Garstka. In Berlin zeigten die Erfahrungen aus fast zweijähriger Praxis, dass Bürger zwischen 22 Mark und mehr als 1.000 Mark für eine Akteneinsicht aufwenden müssten. Die Kriterien für die Gebührenerhebung seien häufig nicht transparent.

Scharfe Kritik hatte in der Vergangenheit auch der Journalisten-Verband „Netzwerk Recherche“ geäußert. Dessen Vorsitzender Thomas Leif monierte insbesondere die weiten Interpretationsspielräume, die der Gesetzentwurf lasse und die zu einer „restriktiven Informationspraxis führen könnten“. Leif forderte zudem eine generelle Streichung der Gebühren, da die Bürger sonst von der Möglichkeit der Akteneinsicht nicht Gebrauch machen würden.

Die Bundesrepublik ist eines der letzten EU-Länder, das seinen Bürgern Einsicht in Verwaltungsvorgänge auf allen Ebenen gewähren will. Auch die Bundesländer hinken bislang hinterher. Nur Schleswig-Holstein, Brandenburg und Berlin haben bereits Informationsfreiheitsgesetze verabschiedet.

HEIKO HÄNSEL