Der große Fluchttunnel unter dem Ärmelkanal

Großbritannien beschuldigt die französische Regierung, durch ihre Lager beim Eurotunnel die Flucht illegaler Einwanderer zu begünstigen

LONDON/PARIS afp ■ Großbritannien reagiert zunehmend verärgert auf die hohe Zahl illegaler Einwanderer, die von Frankreich über den Eurotunnel ins Land zu kommen versuchen. Der britische Innenminister David Blunkett legte Paris nach Presseinformationen von gestern die Schließung des Flüchtlingslagers Sangatte nahe, das nur zwei Kilometer vom Terminal des Eurotunnels entfernt liegt. Die Eurotunnel-Betreibergesellschaft wurde mit Strafgeldern von umgerechnet 6.000 Mark für jeden illegalen Einwanderer bedroht, der durch den Tunnel gelangt.

„Die französische Regierung hat die Hauptverantwortung“, hieß es im Leitartikel der Daily Mail. Auch der Daily Express sprach von „Entrüstung“ darüber, dass Frankreich „immer mehr Flüchtlinge zu uns schickt“. Blunkett dementierte laut Financial Times, die Schließung des Lagers Sangatte gefordert zu haben. Allerdings wies er den französischen Innenminister Daniel Vaillant offenbar darauf hin, dass es „nicht hilfreich“ sei, zwei Kilometer vom Terminal des Eurotunnels entfernt ein Lager mit 1.600 Flüchtlingen zu unterhalten. Gruppen von Flüchtlingen durchbrechen nahezu täglich die Absperrungen am Eurotunnel-Terminal und versuchen in die Lastwagen zu gelangen, die durch den Tunnel unter dem Ärmelkanal transportiert werden.

Die französische Regierung plant, ein weiteres Lager in Bailleul, nahe der französisch-belgischen Grenze, einzurichten, das rund 45 Kilometer vom Terminal des Eurotunnels entfernt liegen würde. Die Pläne wurden von dem sozialistischen Bürgermeister von Bailleul, Jean Delobel, bestätigt, sind aber von der Regierung in Paris noch nicht offiziell bekannt gegeben worden.