neues mietrecht
: Dezent unsozial

Heute wird Deutschland mal wieder ein bisschen sozialer: Ein neues Mietrecht tritt in Kraft, das vor allem die Bewohner begünstigt. Aber nicht alle Mieter sind gleich gut dran.

Gewinner sind vor allem diejenigen, die schon lange in ihrer Unterkunft leben. Ziehen sie aus, können sie mit drei Monaten Frist kündigen – bisher waren es zwölf. Das ist vor allem im Osten und Norden angenehm, wo es in vielen Städten mehr als genug Wohnungen gibt und Vermieter keinen gern ziehen lassen.

Kommentarvon ROLAND STIMPEL

Bleiben dagegen langjährige Bewohner in der Wohnung, sind sie ebenfalls Gewinner: Ihre Miete kann nach dem neuen Recht in drei Jahren nicht mehr um 30, sondern nur noch um 20 Prozent steigen. Das freut vor allem Mieter in süd- und westdeutschen Großstädten, wo Wohnungen knapp sind und die potenzielle Gier von Hauswirten jetzt noch stärker begrenzt wird.

Verlierer sind dagegen die, die in München, Stuttgart oder Frankfurt eine Wohnung suchen. Denn die Vermieter schlagen umso kräftiger zu, wenn die Kundschaft wechselt. Hinter der Tür links wohnt seit Jahrzehnten Witwe Schulze und zahlt 800 Mark; rechts bekommt das junge Paar Müller und Meier eine gleich große Wohnung nur für 1.600. Selbst wenn Schulze lieber eine kleinere Wohnung hätte, zieht sie nicht um: Hinterher ist die Miete so hoch wie zuvor.

Umzüge werden blockiert, große Flächen festgehalten. Wohnungen werden noch mehr zur Mangelware. Damit schlägt der Mieterschutz ins Gegenteil um – zu Lasten der Leute, die eine neue Bleibe brauchen. Man könnte zwar auch für neue Mietverträge strengere Preisgrenzen vorschreiben, als die Mietspiegel ohnehin vorsehen. Das würde helfen – leider nur im Moment. Aber auf Dauer hätten noch weniger Wohlhabende Lust, ihr Vermögen in neue Wohnungen zu investieren. Und bei Knappheit werden Mietgrenzen immer umgangen – über horrende Abstandszahlungen oder Schmiergeld für den Makler, wie in München schon gang und gäbe.

Der Mehrzahl der verharrenden Mieter kann das egal sein. Wer sich aber in den Wachstumszentren vergeblich die Hacken nach einer bezahlbaren Wohnung abläuft, wird seinen Kummer kaum auf das scheinbar soziale Gesetz zurückführen.

Politisch ist das ziemlich schlau: Begünstigten wird deutlich, wo ihr Vorteil herkommt. Benachteiligte sehen dagegen kaum, dass das Soziale auch ziemlich unsoziale Folgen hat.

Journalist und Buchautor, Schwerpunkt Wohnungsmarkt und Wohnungspolitik