Proteste für ein Referendum

Hunderte slawische Mazedonier belagern das Parlament in Skopje, um so eine Debatte der Abgeordneten über die Verfassungsänderungen zugunsten der albanischen Minderheit zu verhindern. Scharfe Kritik an der Nato und den USA

aus Skopje ERICH RATHFELDER

„Nato lügt“ stand auf einem der Transparente, mit dem Demonstranten gestern vor dem Parlamentsgebäude in Skopje gegen die Sitzung des Parlamentes protestierten. Hunderte von slawischstämmigen Mazedoniern versuchten so, Druck auf die Parlamentarier auszuüben. Sie wenden sich dagegen, dass die am 14. August von den slawischen und albanischen Parteien im Abkommen von Ohrid beschlossenen Kompromisse in Verfassungsänderungen festgeschrieben werden. Stattdessen fordern sie eine Volksabstimmung.

Die politischen Parteien stehen aber im Wort. Sie müssen angesichts des von der internationalen Gemeinschaft verlangten Friedensprozesses nach der weitgehenden Demobilisierung der albanischen Rebellenarmee UÇK handeln. Vorgesehen ist eine dreitägige Debatte, nach der am Dienstag das Prozedere für die Verfassungsänderungen festgelegt werden soll. Schon dafür sind zwei Drittel der 120 Stimmen im Parlament notwendig.

Ob diese Mehrheit zustande kommt, ist keineswegs sicher. Den slawischen Parteien, vor allem der Regierungspartei VMRO und den Sozialisten, laufen die Anhänger in Scharen weg. „Ich werde niemals mehr für Parteien stimmen, die den Terroristen entgegenkommen“, ist der Leitsatz, der von vielen Passanten in Skopje zu hören ist. Mehr noch, viele Menschen, nicht nur die Demnstranten, sehen in der Aktion der Nato den ersten Schritt zur Etablierung eines internationalen Protektorates. Vor allem die USA hätten Schuld am gegenwärtigen Konflikt. Sie hätten die UÇK ausgerüstet und von Kosovo aus über die Grenze nach Mazedonien einsickern lassen.

Nach Meinung der Demonstranten misst die internationale Gemeinschaft mit zweierlei Maß. Den mazedonischen Minderheiten in Griechenland, in Albanien und in Bulgarien würden alle Rechte verwehrt, aber niemand setze sich für sie ein. „Menschenrechte gibt es für diese Minderheiten nicht“, sagt Kiro, der seinen richtigen Namen nicht nennen will. Er kritisiert vor allem die OSZE, der er eine einseitige Politik unterstellt.

In der Gedankenwelt der slawischen Mazedonier spielt eine von den Medien verbreitete Verschwörungstheorie eine wichtige Rolle. Danach würden die USA die Konflikte zwischen Islam und Orthodoxen anheizen, um die militärische Kontrolle über die geplante Ölpipeline von Sibirien bis nach Albanien zu erlangen. Diese Theorie ist weit verbreitet. Um den USA entgegenzutreten, müssten Russen, Serben, Bulgaren und Mazedonier eng zusammenrücken. Die Nato müsste wieder aus Mazedonien verschwinden. Mit den Albanern werde man schon alleine fertig. Ausländische Diplomaten kritisieren diese „wenig rationale Diskussion“. Die Medien trügen dafür eine große Verantwortung.

Doch auch die internationale Gemeinschaft kämpft mit harten Bandagen. Angesichts der erschöpften Haushaltsmittel ist der mazedonische Staat auf Hilfe von außen angewiesen. Wenn die Parlamentarier sich weigerten, die Prozeduren für die Verfassungsänderungen festzulegen, würden die Quellen versiegen, wird gedroht. Doch viele slawische Abgeordnete wollen trotzdem hart bleiben.

Sollte das Parlament nicht wie gewünscht abstimmen, müsste die zweite Phase von „Essential Harvest“ verschoben werden, die Friedensbemühungen hätten einen empfindlichen Rückschlag erlitten. Dann würde die UÇK sich wohl weigern, weitere Waffen an die Nato zu übergeben.