Krawatte? Kontraproduktiv!

„Ich bin eine journalistische Rampensau“, sagt das Herzblatt und Quizgesicht Jörg Pilawa. Heute übernimmt die „Wunderwaffe der ARD“ die renommierte „NDR Talk Show“ (22.00 Uhr, N 3)

taz: Stimmt es, dass sich bei Sat.1 alle siezen?

Jörg Pilawa: Ich habe dort niemanden gesiezt. Ich war aber wohl auch einer der dienstältesten Moderator. Ich habe nur Frau Holldag, die Programmgeschäftsführerin, gesiezt, obwohl wir uns am längsten kennen.

Ist das beim NDR anders?

Ja. Dort duze ich lediglich meinen Redakteur bei „Das Quiz“. Ansonsten wird gesiezt.

Auch Ihre Talkshow-Komoderatorin Alida Gundlach?

Ja. Noch. Aber das „Du“ muss von ihr kommen. Das hat mir die Erziehung so mitgegeben. Aber ich find es auch gar nicht so unsexy, muss ich sagen. Frau Gundlach kenne ich seit sechzehn Jahren vom Fernsehen, warum soll ich sie jetzt plötzlich duzen?

Womit Sie nicht sagen wollen, dass Sie Frau Gundlach sexy finden, oder?

Doch, auf ihre Art auch, ja.

Und was ist ihre Art?

Sie hat etwas sehr Direktes, das damit gepaart ist, gut vorbereitet zu sein und sich dennoch zu trauen, auch mal naiv zu fragen.

Atmosphärisch gesehen, was ist der Unterschied zwischen den Privaten und den Öffentlich-Rechtlichen?

Bei Sat.1 kannte ich nach acht Jahren alles, inklusive der Durchwahlnummern. Wenn ich etwas hatte, wusste ich, wo ich anrufen musste und man konnte drüber sprechen. Das Problem damit ist, es ist sehr verbrüdernd und schulterklopfend. In Krisensituationen erweist sich dieses Verhalten aber nicht immer als echt. Bei der ARD ist es viel anonymer, was extreme Vorteile hat. Man ist nicht immer erreichbar, und wenn eine Entscheidung getroffen wird, ist sie meist wesentlich besser bedacht als bei den Privaten. Ich muss auch sagen, im Vorabendprogramm, wo ich jetzt platziert bin, gibt es extrem viele Mitarbeiter, die sich im Fernsehgeschäft unglaublich gut auskennen. Es sind längst nicht so viele Quereinsteiger wie bei den Privaten.

Entspricht Ihr Wandel dem des Schmuddelkindes zum Pafümerie-Fachverkäufer?

Dass wir solche Klischees in Deutschland haben und wohl auch brauchen, um Leute besser einzuordnen, damit kann ich leben. Ob das nun der Schmuddeltalker war oder der Schwiegersohntyp oder Sunnyboy oder was für Prädikate man so bekommt. Es ist immer eine Frage, ob der Zuschauer das auch so wahrnimmt, und das glaube ich eigentlich nicht.

Aber der Schwiegersohntyp, der werden Sie doch gerade.

Werde ich? Nee. Also bei Sat.1 war ich ordentlicher gekleidet. Bei einem Sender, der in der öffentlichen Wahrnehmung nicht gerade die News-Kompetenz der Öffentlich-Rechtlichen hat, muss man bei einer Quizshow seinem Moderator natürlich eine Krawatte verpassen, um seriöser zu wirken. Bei der ARD wäre eine Krawatte eher kontraproduktiv, das wär zu viel der Seriosität. Es ist eher, dass ich jetzt so rumlaufe, wie ich es immer wollte, und das ist gut so.

Haben Sie die Befürchtung, Günther Jauch in der Außenwirkung zu ähnlich zu werden?

Nein. Das ist wieder so’n Problem von Kritikern. Kritiker suchen ja immer solche Vergleiche. Ich bin jetzt 35 und ich würde es mir nicht anmaßen, mich mit Günther Jauch zu vergleichen.

Der Eindruck der Ähnlichkeit ist nahe liegend durch die Formate und Ihre Entwicklung.

Ich hab schon Glück gehabt. Das ist nun mal ein Haifischbecken und ein Hire-and-Fire-Prinzip und ich hatte das Glück, dass Sat.1 mir die Chance gegeben hat, mich acht Jahre lang auszuprobieren. Wenn ich heute Sendungen gucke, die ich mit 25 gemacht habe, dann bekomme ich so eine nette, schaurige Gänsehaut und denke „Um Gottes willen! Was hast du da denn da vor dich hin moderiert?“ Sicherlich ist da eine Entwicklung, die auch ein Bankangestellter macht, der mit 35 anders am Schalter steht als mit 25. Von daher wäre es schlimm, wenn Stillstand wäre. Nur: Die meisten Kollegen haben gar nicht die Chance. Die machen mit 25 eine Sendung und sind mit 26 schon wieder weg. Oder eine Jenny Elvers, die überhaupt keine Entwicklung durchmacht.

Jetzt kommt eine Quizfrage.

Oh Gott, nee!

Jörg Pilawa sagt von sich: Ichbin a) Journalist, b) Entertainer, c) eine Rampensau oder d) Moderator?

Ich würde am liebsten sagen d), weil es unverfänglich ist, aber ich würde schon sagen, ich bin eine journalistische Rampensau.

Gab es für die NDR-Talkshow Interviewtrainings?

Nein. Ich werde völlig ins kalte Wasser geschubst. Es wird auch kein Probedurchlauf geben. Das wird einfach so gemacht.

Und ein spezielles Alida-Gundlach-Survival-Training?

Nein. Überhaupt nicht. Ich hab mich mit Frau Gundlach einmal getroffen. Wir werden uns vorher zweimal sehen und uns ein bisschen absprechen. Aber ich denke, dass du gar nicht viel vorbesprechen kannst. Doppelmoderation hat im deutschen Fernsehen in den seltensten Fällen funktioniert. Es wird sicherlich eine Zeit dauern, bis man weiß, was man sich erlauben kann und wie es funktioniert.

Drei Sendungen, Plakate überall, Ihr Name für Majonaise – glauben Sie, dass Menge ein Rezept für Erfolg ist?

Nicht für Erfolg. Was Menge bei der Flut von Sendern und Sendungen garantiert, ist, dass du Aufmerksamkeit zumindest kurzfristig erregst. Zum Beispiel wie jetzt für „Das Quiz“. Es war für mich das erste Mal, dass ich so eine Pressekampagne hautnah miterleben durfte. Ich war auch sehr skeptisch. Wenn man auf die Plakate geguckt hat, sah man ja auch einen etwas anderen Jörg Pilawa. Ich sah eher so aus, als wenn ich ’ne Nacht unter der Brücke geschlafen hätte.

Ich dachte, so sehen Sie aus.

Privat sehe ich eben nicht wie der Schwiegersohntyp aus. Ich hab mich eigentlich noch nie so öffentlich so privat gesehen. Bei Sat.1 war ich immer zurechtgemacht. Da ging es zurück zur guten alten Föhnwelle. Man hat mich da jetzt eher so fotografieren dürfen, wie ich sonst auch eher aussehe. Und auch das war im Nachhinein gut so.

INTERVIEW: SILKE BURMESTER