Die mazedonischen Löwen warten auf ihren Einsatz

Die Nato muss nicht nur die Waffen der UÇK einsammeln, sie muss sich auch auf paramilitärische Aktionen der Mazedonier einstellen. Das zeigen die ersten Tage des Einsatzes

SKOPJE taz ■ Der Beginn der Nato-Aktion „Essential Harvest“ glich einer Public Relations Show. Durch Los bestimmte Medienvertreter besetzten die 24 Plätze, um in Bild und Ton das Agieren der Nato-Soldaten festzuhalten. Die erste Fuhre an eingesammelten Waffen wurde bei Kumanovo eingefahren. Die UÇK in dieser östlich Skopjes gelegenen Region hielt sich an die Vereinbarung. Bis zum 31. August soll ein Drittel der jetzt von der Nato und der UÇK ausgehandelten 3.300 Waffen eingesammelt werden.

Doch die gesamte Aktion ist bedroht. Früher als erwartet kam es zu Störmanövern. Der Tod des britischen Soldaten Jan Collins, eines Fallschirmpioniers, kann zwar noch unter dem Titel „jugendliche“ Wahnsinnstat abgetan werden. Jugendliche warfen am Sonntagabend um 19.15 Betonbrocken von einer Brücke auf die Autostraße, die zum Flughafen führt. Der 22-jährige Soldat erlag am Morgen seinen schweren Verletzungen und ist damit das erste Opfer der Aktion „Essential Harvest“.

Die Tat zeigt jedoch, wie aufgeheizt die Stimmung in der slawisch-makedonischen Gesellschaft ist. Mit Verschwörungstheorien versuchen die Medien die Nato-Aktion zu diskreditieren. Selbst Premierminister Ljubco Georgievski gießt weiteres Öl ins Feuer. Es sei lächerlich, dass die Nato nur 3.300 Waffen einsammeln wolle, schließlich verfüge die UÇK über mehr als 60.000.

Die Folgen lassen nicht lange auf sich warten: Als gestern morgen die mazedonische Armee vereinbarungsgemäß schwere Waffen aus Stellungen bei Tetovo zurückziehen wollte, wurde sie von den Bewohnern des Altstadtviertels daran gehindert. Die dort lebenden slawischen Mazedonier, die in Tetovo nur eine Minderheit der Bevölkerung stellen, haben Angst, mit dem Rückzug der eigenen Truppen schutzlos der UÇK ausgeliefert zu sein. Die Kirchenglocken gaben das Signal, hunderte bauten Barrikaden und blockierten so die Weiterfahrt der Armeefahrzeuge.

Genährt wird die Furcht durch Anschläge, für die die Mazedonier Albaner verantwortlich machen. Zwei Bomben explodierten in der Nacht zum Montag in der Altstadt von Skopje und richteten erheblichen Sachschaden an.

Eindeutig der UÇK zuzurechnen ist aber der Bombenanschlag auf das Hotel Brioni im Dorf Celopek, 8 km südlich von Tetovo. Das von Wiesen und Sportplätzen umgebene Hotel wurde durch die Explosionen völlig zerstört. Zwei Tote konnten geborgen werden. Nach Untersuchungen mazedonischer Sachverständiger wiesen die Überreste der beiden Ermordeten Folterspuren auf. Wie gezielt der Anschlag ausgeführt wurde, zeigen die näheren Umstände. Die beiden Toten, Svetislav Trpovski und Boge Ilirski, waren Angestellte des Cousins des Innenministers Ljubce Boskovski, der als einer der Hardliner innerhalb der Regierung gilt. Boskovski wird mit dem Aufbau paramilitärischer Truppen in Verbindung gebracht. Er war es auch, der schon Ende Juni Waffen an die männliche slawische Bevölkerung verteilen ließ und darauf besteht, dass die Waffen im Umlauf bleiben. Die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ wirft ihm sogar vor, bei dem Massaker in dem Dorf Ljuboten vor zwei Wochen anwesend gewesen zu sein. Dort sollen damals 10 Albaner massakriert worden sein.

Der Anschlag auf das Hotel war gezielt gegen Boskovski und die Paramilitärs gerichtet. Das Hotel Brioni gehört der gleichen Firma, die das in der Nähe Tetovos gelegene Motel „Petrol Company“ betreibt. Dort sollen nach Zeugenaussagen Waffen und Munition gelagert sein. Offen ist am Tresen des Hotels das Emblem der „Löwen“ angebracht, einer in den letzten Wochen häufig genannten paramilitärischen Truppe. Möglich ist also, dass das abseits gelegene Hotel Brioni ebenfalls ein Stützpunkt der Paramilitärs gewesen ist.

Die Nerven liegen also blank. Die Zwischenfälle geben den Hardlinern beider Seiten weitere Argumente gegen die Demilitarisierungsaktion der Nato. „Mazedonien 2000“ und „Mazedonien 2001“ heißen neben den „Löwen“ die mazedonischen Truppen, die aktiv werden wollen, „wenn unsere Armee die Lage nicht mehr kontrollieren kann“.

ERICH RATHFELDER