Hohe Wogen im Osten

In Cottbus hat eine Journalistin Baufilz-Affären aufgedeckt – und sieht sich jetzt Opfer als einer Diffamierungskampagne, an der sich unter anderem auch die Stadtverwaltung beteiligt haben soll

Kritisiert wird „die Art und Weise“ von Simone Wendlers Auftreten

von MARINA MAI

Zeitungskrieg in Cottbus: Seit Anfang August fahren das Anzeigenblatt Der Märkische Bote, der 80.000fach in Cottbuser Haushalte verteilt wird, und der Stadtsender LTV eine Kampagne gegen die Chefreporterin der zur Holtzbrinck-Gruppe gehörenden Lausitzer Rundschau, Simone Wendler. Die 46-jährige Journalistin kreiere „den Verhör-Stil als journalistische Methode“, sie betreibe „Telefon-Terror“ und hätte die Frau eines Interviewpartners in den Selbstmord getrieben, lauten nur einige der Vorwürfe. Der Stadtsender spielte Zeitlupeaufnahmen der Reporterin ab, bei der Menschen „Angst davor haben, in der Zeitung zu stehen“. Einen Tag später lädt das Anzeigenblatt zur Aufführung dieser Sendung in seine Redaktion.

Wendler und die Lausitzer Rundschau schlagen zurück: juristisch, indem sie dem Märkischen Boten per einstweiliger Verfügung die Wiederholung von 14 verleumderischen Aussagen untersagen und eine Gegendarstellung durchsetzen. Und Wendler macht öffentlich, welchen Drohungen sie, als sie vor Monaten einen Baufilzskandal in der südbrandenburgischen Stadt aufgedeckt hatte, ausgesetzt war. Unbekannte hätten mit dem Teleobjektiv das Haus von Simone Wendler observiert und auf ihre Handy-Mailbox das Lied gespielt „Dich schlagen wir tot“. In die Wohnung ihres Chefredakteurs Stefan Herbst sei eingebrochen worden, ohne dass etwas entwendet wurde. Wendler gegenüber der taz: „Wir hatten das zuvor nicht öffentlich gemacht, weil es eine solche Absprache mit der Polizei gab.“

Für die Journalistin steht fest, wer hinter den Diffamierungen und Drohungen steckt: die Baumafia der Stadt. „Der Märkische Bote nutzt als Kronzeugen gegen mich denselben Mann, mit dessen Aussagen Bauunternehmer juristisch gegen mich und meine Beiträge in der Lausitzer Rundschau vorgehen wollen,“ erklärt sie gegenüber der taz.

Als journalistische Quereinsteigerin berichtete die Cottbuserin in den 90er-Jahren freiberuflich für Berliner und überregionale Zeitungen und Hörfunksender aus der Region Lausitz und hat sich vor allem mit Berichten über die rechte Szene einen Namen gemacht. Ihr Name stand in den Presseverteilern von antirassistischen Initiativen, denen sie zu half, rassistische Vorfälle in der Lausitz überregional bekannt zu machen. Als vor knapp einem Jahr die Stelle der Chefreporterin der örtlichen Regionalzeitung frei war, bewarb sie sich und wurde genommen. Seitdem hat Simone Wendler ein neues Thema: Baufilz in Cottbus.

Manager der städtischen Gebäudewirtschaft GWC hatten nach Wendlers Recherchen bei der Vergabe von Aufträgen gute Bekannte bevorzugt sowie Unternehmen, an denen sie selbst oder Familienangehörige beteiligt waren. Nach entsprechenden Berichten Ende des vergangenen Jahres musste der Geschäftsführer und weitere Manager der GWC gehen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Wendler machte auch die Stasi-Vergangenheit von mehreren Inhabern von Baufirmen öffentlich, die nach der Wende ein Firmengeflecht hatten aufbauen können. Ein Bauunternehmer, der früher hauptamtlich für das Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet hatte und gegen den nach einem Beitrag in der Lausitzer Rundschau wegen möglicher Bevorzugung bei der Auftragsvergabe ermittelt wird, soll, so Wendler, über seine Firma am Stadtsender LTV beteiligt sein. Der Cottbuser Zeitungskrieg ist Thema für Brandenburger Landespolitiker. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) sagte, es sei nicht hinnehmbar, dass Journalisten wegen kritischer Berichte bedroht würden. Man müsse diejenigen ausfindig machen, die dahinter steckten.

PDS-Fraktionschef Lothar Bisky erklärte, Politik und Medien müssten entschieden Angriffe auf die Pressefreiheit zurückweisen. Für die SPD erklärte ihr Oberbürgermeister-Kandidat Klaus Zacharias, es gäbe in Cottbus wirtschaftliche Interessengeflechte, „die sich bei ihren Geschäften gestört fühlen und auch nicht vor Aktivitäten zurückschrecken, die unweigerlich an Stasi-Methoden erinnern“.

Hingegen soll sich das Büro des CDU-Oberbürgermeisters Waldemar Kleinschmidt (CDU) an den Diffamierungen der Journalistin beteiligt haben. In einer Pressemitteilung der Stadt ist zu lesen, Kleinschmidt, der selbst noch im Urlaub ist, habe „die Art und Weise des Auftretens von Simone Wendler gegenüber Gesprächspartnern kritisiert“. Ein ehemaliger Pressesprecher einer Landesbehörde schätzt Simone Wendler hingegen aus der Zeit, als sie sich als Freiberuflerin mit der Rassismus in der Lausitz beschäftigte, als eine Journalistin, die „beharrlich kritische Fragen stellt und immer den Finger auf den wunden Punkt legt“. Damit sei sie sicher vielen unbequem. Die 46-Jährige will weiter für die Lausitzer Rundschau arbeiten und kritische Fragen stellen, „sobald der Medienrummel um meine Person mir wieder Zeit dazu lässt. Zurzeit bin ich damit beschäftigt, Kollegen wie Ihnen Fragen zu beantworten,“ sagt sie gegenüber der taz.

Die Affäre könnte aber auch einen handfest politischen Hintergund haben: In einem halben Jahr sind Oberbürgermeisterwahlen in Cottbus.