Nachhilfe für Schily

Paritätischer Wohlfahrtsverband und Evangelische Kirche üben Kritik an Schilys Zuwanderungsentwurf. Regelungen zu Flüchtlingen „inhuman“

BERLIN taz ■ Die Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Barbara Stolterfoth, hat gestern in Berlin scharfe Kritik am Gesetzentwurf von Innenminister Otto Schily (SPD) zur Zuwanderung geübt. In Bezug auf die Einwanderung sei der Entwurf „innovativ und praktikabel“, die Regelungen zu Flüchtlingen und Asylbewerbern seien dagegen „inhuman und peinlich“.

Die Verbandsvorsitzende kritisierte die nach dem Entwurf mögliche Rotation von Arbeitskräften. Eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis könne demnach von vornherein verweigert werden.

Auch die Intergrationspläne stellte Stolterfoth in Frage. Menschen, die bereits seit Jahrzehnten in Deutschland leben, müssten von Sprachkursen ausgenommen werden. „Diese Menschen dürfen nicht die Versäumnisse von dreißig Jahren verfehlter Ausländerpolitik büßen.“

Schilys Vorstellungen zum Familiennachzug nannte die Verbandschefin „wahrscheinlich verfassungswidrig“, da das Grundgesetz nicht nur die deutsche, sondern jede Familie unter Schutz stelle. Heftige Kritik übte Stolterfoth an den Regelungen zum Kirchenasyl. Dass künftig Kirchen und Sozialverbände über Härtefälle entscheiden sollten, komme „einer Privatisierung des Menschenrechtsschutzes“ gleich. Das sei „zynisch“.

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) äußerte gestern ebenfalls Kritik an der Regelung. Die Kostenabwälzung auf die Kirchen sei „nicht zumutbar“, sagte Stephan Reimers, Bevollmächter des EKD-Rates. Die Evangelische Kirche will sich aber erst Anfang September umfassend zu dem Gesetzentwurf äußern.

Die Vorsitzende des Wohlfahrtsverbandes Stolterfoth kritisierte überdies, dass die Schily-Vorlage auch in der Frage der so genannten Schutzlücken nicht richtungsweisend sei. Nichtstaatliche und geschlechtsspezifische Verfolgung in den Herkunftsländern blieben unberücksichtigt. Die Betroffenen würden weiterhin kein Aufenthaltsrecht in Deutschland erhalten. Stolterfoth sagte, sie könne sich unter keinen Umständen vorstellen, dass das Kabinett den Entwurf verabschiede. Dem Paritätischen Wohlfahrtsverband gehören rund 10.000 Sozialvereine an, darunter 500 Organisationen, die sich um Flüchtlinge und Asylbewerber kümmern.

HEIKO HÄNSEL