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: Eine Nacht im ehemaligen Burger King am Rosenthaler Platz

Kommt zusammen, kommt alle zusammen!

Was haben wir geweint, als plötzlich Burger King am Rosenthaler Platz nicht mehr war! Nur ein Zettel hing an der Glastür, auf den mühsam, unter Verwendung mehrerer verendender Buntstifte, geschrieben stand: „Wir schließen morgen für immer.“

Man klammerte sich an das „morgen“, tastete mit der Hand nach der Klinke und merkte plötzlich, dass der Raum schon leer war. Ratzekahl, blank gefegt. Die Verstörung war riesengroß, labilere Psychen mögen an Wahrnehmungsstörungen gedacht haben, aber auch die ganz Starken mussten sich umdrehen, um sich zu vergewissern, dass sie sich wirklich am Rosenthaler Platz in Mitte befanden. Dann ließ man die Hand sinken und presste das Gesicht an das Fenster. Keine Spur mehr vom Burger King mit seinem mürrischen Personal, in das man sich vor, während, nach und manchmal auch anstatt der hippen, hysterischen Vergnügungen ringsherum gesetzt hatte, um still etwas in sich hineinzumampfen (wie übrigens schon in den Zehnerjahren des letzten Jahrhunderts, als der Laden noch „Aschinger“ hieß und später seine literarische Würdigung durch Döblins „Berlin Alexanderplatz“ erfuhr).

Plötzlich war man sich sicher, dass dies die liebenswerteste Filiale der Imbisskette gewesen war. Das hätte man gerne noch einmal sagen wollen.

Einige Wochen später war ich auf einer Party, bei der statt Musik Edgar Reitz’ Mammutfilm „Zweite Heimat“ ohne Ton lief und der Gastgeber eine Spontansynchronisation dazu machte, um seine Nervosität zu überbrücken. Später lief dann doch Musik, und die Menschen liefen locker hin und her. Irgendwann sagte einer verwirrt: „Schau mal, was ich gerade für eine SMS bekommen habe.“ Wir schauten auf den überraschend großen Display und lasen: „Kommt schnell! Burger King ist offen!“ Nach kurzem Beratschlagen, ob man dieser Nachricht Glauben schenken sollte, machten wir dem eh unglücklichen Gastgeber klar, dass seine Party völlig o. k. verlaufen war, es aber richtig cool sei, die eigene Party zum richtigen Zeitpunkt aufzulösen.

Wir hatten Glück. Alle trotteten uns nach. Und tatsächlich: Die Tür von Burger King ging ohne nennenswerte Widerstände auf und wir stolperten die mit Kerzen spärlich ausgeleuchteten Treppen zum ehemaligen Kindertobebereich hoch, wo versprengte Grüppchen mit Dosenbier und Ghettoblaster hockten. Es hieß, die Tür sei einfach offen gewesen. Einige Ex-Partyteilnehmer konnten das maßlose Entzücken über dieses unverhoffte Wiederverweilen bei Burger King nicht teilen und hauten bald ab. Die anderen holten sich Bier. Ich nahm mit einigen anderen Feuerzeuginhabern an einer Kellerexpedition teil, die uns durch viele Lounges und Separées führte („Wenn das ein Club wäre, stell dir mal vor!“), bis ich plötzlich ganz alleine zwischen Mauern stand, mit verbranntem Daumen und einem Feuerzeug, das nicht mehr wollte. „Wo seid ihr?“, rief ich und fühlte eine Panik in mir aufsteigen.

Bald stand ich vor einer Tür, deren Klinke ich ohne Hoffnung herunterdrückte. Sie ging auf – und ich stand plötzlich auf der Torstraße, etwa 30 Meter entfernt vom Rosenthaler Platz. Nun ja, eine halbe Stunde später fanden wir uns fast alle im unsäglichen Bergstübel wieder. Aber ich setzte mich wenigstens rein, als Gräfin unter anderen Gräfinnen und Grafen, während der Mob draußen wogte. Selbst das Spektakel der Goldenen Zitronen, die auf den verkümmerten Baum vor dem Lokal kletterten, ließ ich mir mündlich überliefern.

ALMUT KLOTZ