Eisenbahn und Wetterstation

Das Land Sachsen, die „Bild“-Zeitung und auch ARD-Wetterfrosch Kachelmann – alle haben Sebnitz Unterstützung zugesagt. Und: Der Tourismus in der Region floriert

BERLIN taz ■ „Alles Unglück hat ein Ende, jetzt kommt die Wende“, schrieben Sebnitzer gestern auf ein Transparent, und ihr Oberbürgermeister Mike Ruckh übersetzte: der „Fall Joseph“ gehöre „der Vergangenheit“ an. Für ihn jedenfalls, und auch für die Einwohner von Sebnitz. Die Stadt sei zur Ruhe zurückgekehrt, und er „überzeugt“, dass Sebnitz „kein bleibender Makel“ anhafte.

Dazu beigetragen haben dürften nicht zuletzt zehn Millionen Mark Finanzhilfe, die die sächsische Landesregierung in den nächsten fünf Jahren für Tourismus- und Jugendprojekte nach Sebnitz pumpen will: Die Konzeption für die Imagekampagne der Stadt befindet sich derzeit in Abstimmung, die Eisenbahnstrecke Sebnitz–Bad Schandau wird ausgebaut, einige Straßenbauprojekte vorrangig berücksichtigt. Diese Zusagen hatte Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) den Sebnitzern im Februar höchstpersönlich gegeben, nachdem diese sich präsentiert hatten: als „Opfer“ einer „Medienkampagne“, als „Stigmatisierte“ einer Stadt, an der „Rufmord“ begangen worden sei: „All unsere Arbeit drohte im Abgrund zu versinken“, klagte Ruckh damals. Immerhin ging es in den Augen vieler Sebnitzer um den Vorwurf des kollektiven Rassismus, erhoben von der Familie Kantelberg-Abdulla und den Medien. Da konnte es passieren, dass bei aller „Besonnenheit“, zu der der Oberbürgermeister mahnte, Journalisten, die an das gute Abschneiden rechtsextremer Parteien in der Region erinnerten, bei Pressekonferenzen von ihm des Hauses verwiesen wurden. Und Worte des Mitgefühls für eine Familie, die ihr Kind verloren hat, fanden damals nur wenige.

Mittlerweile ist der Ton ruhiger geworden, viele Sebnitzer halten die „Entschädigung“ für angemessen: Zwar hat Sachsen statt der geforderten 34 Millionen nur zehn bewilligt, und diese auch nur aus umgewidmeten Programmen. Die Bild-Zeitung hat sich für ihre Schlagzeile nicht nur entschuldigt, sondern der Stadt ihre Unterstützung zugesagt bei Tourismus und Jugendausbildung. Der Ministerpräsident ist nach Sebnitz gereist, der Bundespräsident, der Kanzler. So viel Aufmerksamkeit stimmt freundlich. Und an diesem Samstag wird Wettervorhersager Jörg Kachelmann die von der Stadt Sebnitz für 26.000 Mark eigens beantragte Wetterstation einweihen. Die wird jeden Abend auf dem Bildschirm daran erinnern, dass Sebnitz trotz aller gegenteiligen Behauptungen ein beliebtes Ausflugsziel ist: Die Übernachtungszahlen in der Sächsischen Schweiz sind im ersten Halbjahr 2001 gegenüber dem Vorjahr um 2,5 Prozent gestiegen. HEIKE HAARHOFF