Die Kämpfer zurückholen

von DOMINIC JOHNSON

Sie sind der Motor des andauernden Krieges in der Demokratischen Republik Kongo: die ruandischen Hutu-Milizen auf Seiten der kongolesischen Regierungsarmee, die meist tief im ostkongolesischen Rebellengebiet operieren. Ihre Präsenz ist das größte Hindernis für Frieden im Kongo. Denn solange sie da sind, wird auch Ruandas Regierungsarmee dableiben. Und solange gehen auch die Kämpfe im Kongo weiter.

In dem Konflikt stehen auf einer Seite Ruandas Armee und die kongolesische Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) und auf der anderen eben die von Kongos Kabila-Regierung unterstützten ruandischen Hutu-Milizen und ihre kongolesischen und burundischen Verbündeten. Dieser zurzeit größte afrikanische Krieg hat seit seinem Ausbruch 1998 hunderttausende von Toten gefordert.

Nun gibt es erstmals internationale Planungen dafür, die Milizen aus dem Busch zu holen. Die britische Entwicklungshilfeministerin Clare Short stellte Anfang dieser Woche nach einer Reise durch die Kriegsregion ein Programm vor, wonach mit zunächst fünf Millionen Pfund (16 Millionen Mark) ruandische Milizionäre im Kongo demobilisiert werden sollen. Dies ist mehr Geld, als Großbritannien dieses Jahr für humanitäre Hilfe in dem Land ausgibt. Frankreich unterstützt das Projekt politisch. Außenminister Hubert Védrine sprach darüber am Dienstag mit Kongos neuem Präsidenten Joseph Kabila, Sohn des einstigen Staatschefs.

Der Knoten im Friedensprozess

Die Milizen seien der „Knoten“ im Friedensprozess, sagte Védrine zu Kabila. Davon, ihn durchzuhauen, hänge alles ab. Der Präsident müsse „alles in seiner Macht“ tun, um die Kämpfer zu entwaffnen. Die Demobilisierung, so hatte zuvor Clare Short erklärt, „wird dazu beitragen, den Sicherheitsbedenken Ruandas und Ugandas entgegenzukommen und Simbabwe, Uganda, Ruanda, Namibia und Angola den Rückzug aus dem Kongo ermöglichen“.

Die kongolesische Regierung berichtete der britischen Ministerin von zwei Lagern mit insgesamt 4.000 Milizionären. Sie warteten darauf, wieder in Ruanda eingegliedert zu werden. Mit ihnen soll das britische Programm beginnen. Insgesamt sind nach UN-Schätzungen 20.000 bis 30.000 ruandische Hutu-Milizionäre im Kongo aktiv. Viele ihrer Stützpunkte liegen bisher außerhalb der Gegenden, in denen die seit Ende März stationierte UN-Blauhelmmission die Einhaltung des Waffenstillstandes überwacht. Das solle sich ändern, sagte Short: „Großbritannien wird die UN-Mission darin unterstützen, vorzurücken, um Verletzungen des Waffenstillstands zu verhindern und die Demobilisierung und Wiederansiedlung kämpfender Truppen zu befördern.“

Erste Planspiele für ein Entwaffnungsprogramm hatte bereits im Mai die „Gemeinsame Militärkommission“ der im Kongo kriegführenden Länder vorgelegt – ein Gremium, in dem regelmäßig die gemeinsame Umsetzung des Friedensprozesses besprochen wird. Dieser Plan hat das Ziel, „alle bewaffneten Gruppen im Kongo zu entwaffnen, zu demobilisieren, zu repatriieren, zu reintegrieren oder anzusiedeln“ sowie Kriegsverbrecher dingfest zu machen. Mit Shorts neuem Plan steht dafür jetzt erstmals Geld zur Verfügung.

Es steht den Milizionären offen, ob sie freiwillig nach Ruanda zurückkehren oder sich im Kongo als Zivilisten niederlassen. Wer sich im ruandischen Völkermord schuldig gemacht hat, soll vor Gericht, vorzugsweise vor das UN-Ruanda-Tribunal im tansanischen Arusha. „Kleine Täter“ erhalten Wiedereingliederungshilfe – in Ruanda oder im Kongo – und werden damit faktisch amnestiert.

Frauen sollen Männer überzeugen

Der britische Ansatz ist nicht nur bedeutsam, weil er den Knoten im Friedensprozess lösen will, sondern auch originell. Denn anders als bei bisherigen Programmen in der Region (siehe nebenstehender Text) sollen vorzugsweise Frauen der Milizionäre Unterstützungsgeld bekommen. „Es ist ganz wichtig, den Frauen die Chance eines besseren Lebens zu bieten, damit sie die Männer überreden können, sich sesshaft zu machen und ihren Kindern ein besseres Leben zu bieten“, sagte Ministerin Short nach ihren Gesprächen im Kongo. „Die Frauen werden die Männer davon überzeugen müssen, dass es Zeit ist, den Busch zu verlassen.“

Wie das alles genau gehen soll, ist noch unklar. Nach Angaben von Shorts Ministerium werden Einzelheiten derzeit in Gesprächen mit der Regierung Kabila und der UN-Mission diskutiert. Aber die aktive Unterstützung Großbritanniens und Frankreichs – die treibenden Kräfte hinter der UN-Mission im Kongo – vergrößert die Chancen, dass das Projekt umgesetzt wird.

Dass der politische Wille der Großmächte ausreicht, ist allerdings zu bezweifeln. „Kabila muss den Entwaffnungsprozess anführen“, sagt ein Sprecher des britischen Entwicklungshilfeministeriums. „Wir sagen einfach, dass das Geld da ist und wir bereitstehen.“ Kabila hatte Short zugesagt, bis zum 14. August – dem Tag des Besuchs des Franzosen Védrine – eine öffentliche Erklärung über die Entwaffnung der Milizen abzugeben. Das ist nicht geschehen.