Immer wieder Klo-Stau

Freitagabend, Treffpunkt vor der Kino-Damentoilette – Annäherung an ein weibliches Mysterium  ■ Von Stefanie Hundsdorfer

Wenn Frauen mal müssen, brauchen sie Zeit. Viel Zeit. Der Gang zum stillen Örtchen gestaltet sich für sie oft langwieriger als für ihre im Stehen pinkelnden Artgenossen. Schon auf dem Weg zur Tür mit dem schwarzen Frau-im-Rock-Symbol lauern pinkelwilligen Damen mannigfaltige Herausforderungen auf: endlos erscheinende Warteschlangen, drängelnde Konkurrentinnen („ich muss doch sooo dringend“), und immer wieder die Versuchung: Nein, ich unterziehe mich keiner Geschlechtsumwandlung. Denn oft genügt schon ein Blick zur Tür nebenan, um den Neid auf die Im-Stehen-Pinkler ins Unermessliche zu steigern. Vor der Männertoilette wie immer gähnende Leere. Nur ab und zu ein männlicher Pinkler, der der darbenden Frauenschlange mit einem wissenden Grinsen begegnet. Vor allem an öffentlichen Orten ein allseits bekanntes Szenario.

Freitagabend, Treffpunkt vor der Kino-Damentoilette: Frau W. (stellvertretend für viele andere Frauen, die Red.) seufzt. Alles hätte klappen können: Freund Udo holt Popcorn, sie geht noch kurz pinkeln. Und nun das. Das sind ja mindestens acht, zehn, ja ganze zwölf Hinterköpfe, die sich da vor ihr aufreihen. Ein kurzer Blick auf die Uhr. Fünf vor acht, gleich beginnt der Film. Das schafft sie nie. Gereizt beäugt Frau W. die schlecht frisierte Dauerwelle ihrer Vorderfrau. Ein bisschen schuldig fühlt sie sich. Sie hätte es wissen müssen. Schließlich ist das immer so.

Erst neulich hat sie sich mit Freundin Sabine darüber unterhalten. Die regt das auch auf. Diese Schlangen überall. In der Oper, im Kino, auf dem Rummelplatz. Schuld ist die Anatomie, sagt Sabines Urologe. Die Harnröhre im weiblichen Körper ist kürzer als im männlichen, nix zu machen. Folgen sind Harnwegsinfekte und Reizblasen. Und: Ist die Blase gereizt, rennt frau aufs Klo.

„Da drinnen gibt's nur zwei Toiletten“, raunt es von vorne. Es wird langsam dringend bei Frau W.. Mensch, warum können die nicht mehr Klos da reinbauen? Kinobesitzer reagieren belehrend auf den Hilfeschrei: Erstens gebe es oft schon mehr Damentoiletten als Pissoirs. Und zweitens lohne sich das nicht. Klo-Stau sei nur in der Rush-Hour vor und nach dem Film ein Problem. Und für die zehn Minuten Geld für Pinkel-Kabinen investieren? Also bitte.

Beckenbodengymnastik. Das hilft. Sagt Sabines Urologe. So tun, als würde frau beim Pinkeln stoppen – Spannung halten – locker lassen. Mindestens zehnmal hintereinander, fünfmal täglich. Anfängerinnen pressen auf dem Rücken, Fortgeschrittene im Stehen. Profis lassen die Unterleibsmuskeln im Gehen spielen. Eigentlich nichts Neues, denkt Frau W. und kneift ein bisschen. Ach, bringt doch alles nix. Und immer noch sechs Damen vor ihr. Neidisch beobachtet sie den Mann, der sichtlich erleichtert aus benachbartem Männerklo spaziert.

Hündin müsste man sein. Frau W. denkt an ihre kleine Pudel-Dame. Die kann sich aussuchen, ob und wann sie unterwegs ihr Beinchen hebt. Kein albernes Töpfchen-Hüpfen. Einfach Beinchen hoch und entspannen. Und im Pinkel-Vergleich mit den männlichen Bellos schlägt sie sich wacker. Während Rüden an jedem Strauch ihre Duftnote hinterlassen, braucht ihre Amanda nur zwei Pinkel-Stationen pro Gassi-Gehen. Außer sie will Männchen beeindrucken. Die stehen auf Hundedamen mit Blasenschwäche. Ein Beispiel könnte er sich daran nehmen, ihr Udo.

„Mensch, bin ich froh, dass ich keine Frau bin“, seufzt der neben ihr. Moment mal - Frau W. stutzt. Beckenbodengymnastik? Ihr könnt mich mal! Ich gehe jetzt einfach... Ihre Augen kleben an der Männer-Tür. Aber nein – ich kann doch nicht... Doch. Wenn die bei uns nur zwei Schüsseln reinbauen, kann ich da rein. Entschlossenen Schrittes marschiert sie zur Tür. Schnell die Augen zugemacht, und durch.

Eine Minute später steht sie wieder draußen, nimmt ihrem verdutzten Udo das Popcorn ab. Und lächelt siegessicher in Richtung Frauenschlange. „Wollen wir auch?“ meldet sich die erste Stimme. Erst Zögern, dann zustimmendes Gemurmel. Zufrieden wendet sich Frau W. gen Kinosaal. Beckenbodengymnastik ade.