„Das ist der Bundestrend“

Manfred Hiltner, Staatssekretär im Schweriner Bildungsministerium, zur Frage, warum Mecklenburg-Vorpommern das Turbo-Abitur erst abschaffte und nun wieder einführt

taz: Herr Hiltner, warum fahren Sie mit Ihren Schülern Zickzack auf dem Weg zum Abitur?

Manfred Hiltner: Wir fahren nicht Zickzack. Die Abiturzeit gehört aber zu den Fragen, wo man sich auf neue Orientierungen einstellen muss.

Sie haben in Mecklenburg-Vorpommern von 12 Jahren Abiturzeit auf 13 Jahre umgeschaltet. Und jetzt wollen Sie wieder zurück auf den schnellen Weg. Wie kommt der Wandel?

Wir haben 1996 in der Großen Koalition ganz einvernehmlich auf 13 Jahre verlängert. Fast alle waren der Auffassung, dass die von der Kultusministerkonferenz vorgegebene höhere Stundenzahl besser in 13 Jahren zu absolvieren ist. Da nun aber der schnellere Weg mehrheitlich gewollt ist und wir dies bildungstechnisch auch umsetzen können, kehren wir zum kürzeren Abi zurück.

Warum ist das 12-Jahres-Abi plötzlich wieder wichtig?

12 Jahre sind besser, weil Berufsausbildung und Studium früher beginnen können. Auch der Bundestrend geht eindeutig dahin. Und wir wollen, dass unsere Schüler in Deutschland und Europa wettbewerbsfähig sind. Die Nachteile, die durch die Verdichtung des Unterrichtsstoffs auftreten könnten, sind übrigens nicht so stark, dass man das 12-Jahres-Abi scheuen müsste.

Sie meinen mit „Verdichtung“ die Vorgabe der Kultusminister, dass 265 Wochenstunden zum Abi zu gewährleisten sind – egal ob in 12 oder 13 Jahren. Pädagogen raten, die überfüllten Lehrpläne zu entrümpeln und die Stundenzahl zu senken. Wäre das nicht der bessere Weg?

Ja, sicher wäre das am besten. Denn das Lernen hat sich verändert. Es geht in der Schule nicht mehr nur um Wissensvermittlung, sondern darum, Kompetenzen zu erwerben, um damit das Lernen selbst zu lernen und mit der Flut der Informationen umgehen zu können.

Ist es nicht so, dass hinter Ihrer Reform in Wahrheit finanzielle Gründe stehen? Sie wollen Lehrerstellen sparen.

Nein, denn die Stundenzahl bleibt ja gleich.

Was spricht aus pädagogischer Sicht für den schnelleren Weg zum Abitur?

Pädagogisch gibt es keine Vorteile. Das eine ist so wie das andere. Die Frage ist nur, ob da alle mitkommen. In Frankreich sollen z.B. 30 Prozent der Schüler das 12-Jahres-Abi nicht schaffen. In Deutschland liegt die Durchfallquote traditionell nicht so hoch.

Finden Sie nicht, dass die Abi-Situation in Deutschland inzwischen ein wenig unübersichtlich geworden ist?

Hauptsache ist doch, dass die Qualität bleibt. Jeder, der sein Abi macht, egal ob im Freiburg im Breisgau, in Schwerin oder sonstwo, soll die Studierfähigkeit erwerben. Und die Kultusministerkonferenz erkennt ja beide Formen an: die 12- wie die 13-jährige.

Das mag sein. Aber Sie haben mittlerweile Länder wie Berlin, NRW und Baden-Württemberg, wo sich Expressgymnasien unter die normalen 13-Jahres-Gymnasien mischen. Sie haben die 12-Jahres-Abiture in Thüringen und Sachsen und Sie haben das alte 13-jährige Abitur im Westen. Wer soll das verstehen?

Diese Vielfalt besteht nur in einer Übergangszeit. Ich gehe davon aus, dass sich in Deutschland das 12-Jahres-Abi durchsetzen wird. In Mecklenburg-Vorpommern hat sich auch kaum jemand darüber beschwert, dass wir die schnelle Variante wieder einführen wollen.

INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER