Diplomat mit robustem Mandat

Wolfgang Ischinger, Ex-Staatssekretär im Auswärtigen Amt, ist nun offiziell anerkannter Botschafter in den USA

Mit der Herzlichkeit von Politikern hat der Beamte Wolfgang Ischinger so seine Erfahrungen. Als im vergangenen Herbst der Bundeskanzler im Auswärtigen Amt zu einer Konferenz eintraf, humpelte ihm der damalige Staatssekretär Ischinger an Krücken entgegen. Auf Nachfrage berichtete er von einem kleinen Unfall beim Skifahren. „Wer’s nicht kann“, so der derbe Rat des Kanzlers, „soll’s besser bleiben lassen!“

Auch Joschka Fischer ist mit Ischinger nach dem Prinzip „herzlich, aber hart“ verfahren. Fischer machte den Berufsdiplomaten 1998 zum Staatssekretär, das persönliche Verhältnis zwischen beiden ist bis heute gut, trotzdem stellt Ischingers jüngster Wechsel nicht gerade eine Beförderung dar. So schön der Job als Botschafter sein mag, als Staatssekretär im Auswärtigen Amt war Ischinger mächtiger. Vor allem im Kosovokrieg stützte der Minister sich auf die Balkankenntnisse des Beamten, der schon das Dayton-Abkommen zur Beendigung des Bosnienkrieges mitverhandelt hatte. Zu machtbewusst sei Ischinger geworden, wird gemunkelt, aber über die wahren Gründe für den Wechsel hüllen sich alle Beteiligten in Schweigen.

Am Mittwoch hat Ischinger Präsident George W. Bush sein Beglaubigungsschreiben überreicht. Doch bereits als Joschka Fischer im Frühjahr seinen Antrittsbesuch bei der Bush-Administration abstattete, war Ischinger dabei. Ob globaler Umweltschutz oder nationale Raketenabwehr, die rot-grüne Bundesregierung geht offener in Opposition zu den Plänen der USA, als das früher üblich war. „Der Atlantik wird nicht breiter, aber das Management der Beziehungen schwieriger“, sagt Ischinger daher über seine neue Aufgabe.

Schon in der Berliner Zentrale des deutschen Außenministeriums feilte er an der Entwicklung einer Art „Desensibilisierungsstrategie“ mit: Indem die deutsche Seite den Dissens mit den Amerikanern in einzelnen Sachfragen öffentlich macht, soll das transatlantische Verhältnis robuster werden – so dass nicht mehr jede Abweichung in den Positionen als Beleg für eine Verschlechterung der Beziehungen gelten kann. Der gebürtige Schwabe hat sich dafür bereits einen Kniff einfallen lassen: Er will „die USA immer wieder an die hohen Maßstäbe erinnern, die sie selbst nach dem Zweiten Weltkrieg in die internationale Politik eingeführt haben“. Die Methode hat Charme, denn sie packt die Amerikaner bei ihren eigenen Ansprüchen und erspart so den Deutschen die Rolle der ewigen Nörgler. Das diplomatische Handwerkszeug hat Ischinger noch bei Hans-Dietrich Genscher gelernt, dessen persönlicher Referent er von 1985 bis 87 war. Nach einer weiteren Station an der Botschaft in Paris leitete er zwei Jahre lang den Planungsstab, dann die politische Abteilung des AA, ehe er zum Staatssekretär aufstieg.

In den gut 25 Jahren seit seinem Eintritt in die Diplomatenlaufbahn haben sich gerade die Aufgaben eines Botschafters gewandelt. Weniger Berichte schreiben, öfter im Fernsehen auftreten, um die politische Diskussion im Gastland zu beeinflussen, lautete die Empfehlung an die deutschen Missionschefs auf der Botschafterkonferenz des AA, dem Klassentreffen aller Chefs deutscher Auslandsvertretungen. Wolfgang Ischinger muss das nicht erst lernen – er hat die Botschafterkonferenz mit geplant. PATRIK SCHWARZ