themenläden und andere clubs
: Ein Juwel unter den Rumstehorten

Mainstream-Musik, aber die gute

Die größte Meisterleistung ist es doch, nach einem Konzert bei einer befreundeten Band aus einer anderen Stadt den Haufen Menschen, der nach langem Hin und Her beschlossen hat, noch zusammen woandershin zu gehen, von A nach B zu bekommen – unter Berücksichtigung unterschiedlichster Konditionen: Der eine muss noch eine Freundin treffen, eine von der Band muss noch kurz ins Hotel, zwei wollen noch auf eine andere Party, aber nachkommen. Dann muss man organisieren, wer mit wem fährt – und schließlich findet man sich – oh Wunder – in einem anderen Raum wieder zusammen, fremdelt rum und ist ansonsten wild entschlossen, diesen neuen Rumstehort besser zu finden nach dem ganzen Heckmeck!

Und genau in diesem Moment sagt der Barmann knapp: „Alle raus! Sofort! Wir haben Ärger!“ Da diese Bar eine der letzten illegalen ist, bei der man sowieso jeden Freitag die Daumen drückt, dass die Tür sich noch öffnen lässt, trollten wir uns. Draußen geht wieder das Hin-und-her-Überlegen los, dem wir doch gerade erst entronnen sind. Unterwegs schließen sich immer mehr Leute an, es ist ein Kommen und Gehen, ein Verstehen und Nichtverstehen. Leider hat alles zu, oder man weist uns ab, und ich will mich gerade anfangen zu schämen für meine unlustige Stadt, da bleibt die Sängerin der befreundeten Band stehen und sagt: „Hier kommt Musik raus. Da gehen wir rein, wir haben doch uns!“ Diese Logik ist verblüffend, gleichzeitig müssen wir Einheimischen den Schock überwinden, diese Treppen hinuntergehen zu sollen, unter diesem Schild, auf dem der unangesagte Name eines hauptsächlich in schmutzigen Nasszellen anzusiedelnden Insekts geschrieben stand; durch diese prollige Tür, in diesem provinziellen Laden rumstehen zu sollen.

Die Auswärtigen steigen schon munter runter, und wir zögern, streifen uns mit scheuen Blicken. Dann murmeln manche einen lahmen Gruß oder schlappen einfach weiter. Hey, kein Eintritt! Das ist schon mal was. Wir können uns gut im Raum verteilen, obwohl wir immer noch Butterfahrtteilnehmergröße haben. Es läuft Mainstream-Musik, aber die gute. Wir finden schnell heraus, dass der DJ einem die Musikwünsche von den Augen abliest, aber auch gerne verbale Bestellungen entgegennimmt und prompt erfüllt, und tanzen wild. Außerdem sind plötzlich alle in absurde Gespräche verwickelt mit anderen Gästen, werden angetanzt und angesprochen. Hey, hier geht was! Da die Getränkepreise Eckkneipenniveau haben, können wir uns auf der ganzen Linie gehen lassen. Als ich zehn Stunden später die Treppen emporeiere, kann ich nicht glauben, direkt auf einer der bekanntesten Flaniermeilen Mittes zu stehen.

Wochen später, mit einer anderen befreundeten Band aus einer anderen Stadt, die oben erwähnte Bar ist inzwischen dicht, lotse ich als gewiefter Nachtführer meine Schar wieder in die zauberhafte Diskothek. Lasst stecken, ich weiß, ich weiß, solche Erlebnisse sind unwiederbringlich. Stimmt gar nicht. Es ist genauso ekstatisch und wild, wieder ist bald jeder mit einem Fremden in merkwürdige Gespräche verstrickt, nur dieses Mal ist alternativer Abend, die DJ freut sich über jeden Pearl Jam und jede Hole, die wir uns wünschen, und alle schütteln ihr Haar.

Zum Schluss kommt die DJ von ihrem Altar herunter, gibt jedem von uns die Hand und sagt: „Ich bin Jana. Ich lege jeden dritten Mittwoch auf. Freitags ist hier Tombola. Kommt doch mal wieder vorbei.“ So ist das in der Diskothek mit dem Namen eines Insekts, das in schmutzigen Nasszellen anzusiedeln ist. ALMUT KLOTZ