noch 151 tage bis zum euro
: taz-Serie über unser neues Geld (17. Teil)

Die Russen bleiben beim Dollar

Bisher kannten die Russen den Euro nur als Kompositum: beim Euro-Remont zum Beispiel. Dies beschreibt Wohnungsrenovierungen nach vermeintlich westlichem Standard unter Verwendung sündhaft teurer Importmaterials. Mit einem Wort: Euro - jewro sprechen die Russen es aus - glich einem Gütesiegel. Für die Euro-Währung, gilt dies in Russland freilich nicht. Skepsis überwiegt bei Volk und Führung.

Als Kommissionspräsident Romano Prodi im Mai Kremlchef Wladimir Putin aufforderte, die 32 Milliarden Dollarrücklagen der russischen Zentralbank in Euro zu transferieren, wich der Präsident der Bitte aus. Obwohl Moskau rund die Hälfte seines Außenhandels mit EU-Staaten bestreitet, läuft der Zahlungsverkehr zu 80 Prozent auf Dollarbasis.

Der Grund der Zurückhaltung liegt auf der Hand. Die russischen Energielieferanten, die einen beträchtlichen Teil des Außenhandels bestreiten und 21 Prozent des Gasverbrauchs der EU decken, fürchten bei einer Umstellung auf den Euro Einkommensverluste. „Nach wie vor ist der Euro mit einem hohen politischen Risiko behaftet“, meint Dmitri Schitni von der Moskauer Garanti Bank. Sinn mache eine Umstellung nur, wenn der Kurswert des Euro gegenüber dem US-Dollar in absehbarer Zeit deutlich stiege. Davon geht man in Moskau aber nicht aus.

Warum der Kreml keine Eile zeigt, beruht auch auf innenpolitischen Bedenken. Die meisten Bürger haben ihre Ersparnisse in Dollar angelegt, ob im Strumpf oder bei Banken. Grundsätzlich ist der Inhaber eines Dollarkontos besser dran: Er erhält doppelt so viel Zinsen wie der Besitzer eines Eurokontos. Nur sechs Banken bieten in Moskau ein Eurokonto überhaupt an.

Ein schneller Wechsel würde überdies Misstrauen schüren. Durch Geldreformen hat der Kreml im letzten Jahrzehnt die Bevölkerung nicht nur einmal gebeutelt. Die Erinnerung daran ist lebendig. Allein der Umtausch von Dollarersparnissen, darunter hunderte Milliarden in cash, wäre ein technisches Problem und könnte zu Panik führen. Die Rücklagen in Mark betragen nur zwischen 5 und 10 Prozent der Dollerersparnisse. Genauere Anweisungen zum Procedere des Umtauschs erwartet die russische Zentralbank von der EZB in Frankfurt erst im September.

Je weniger Zeit dafür jedoch zur Verfügung steht, desto leichteres Spiel für Fälscher, fürchten Kriminalfachleute. Es sei nicht ausgeschlossen, dass Falschmünzer vor dem Abgang der D-Mark extra noch einmal die Blütenpressen anschmeißen. Je weniger Wert ein Schein ist, um so sicherer scheint der Aussicht auf Erfolg.

Russische Banken, die in der Eurozone Niederlassungen haben, erhalten die neue Scheine automatisch, so wie sie die Mark erhielten. Die anderen Institute müssen ihren Eurobedarf über diese Banken decken. Die russische Zentralbank mußte sich überdies verpflichten, den Euro nicht vor dem 1. Januar 2002 auszugeben.

KLAUS-HELGE-DONATH

Und nächsten Donnerstag: Wann werden die EU-Beitrittskandidaten – wie etwa Polen – den Euro einführen?