Engel der Obdachlosen bekommt Obdach

Seit gestern bauen Freiwillige eine Arztpraxis für die Ärztin Jenny De la Torre, ihr Team und die Obdachlosen vom Ostbahnhof. Auch Bundesfamilienministerin Christine Bergmann will im September einmal schrubben kommen

Es war eine typische Grundsteinlegung für ein soziales Projekt: Die Hände der Bundesfamilienministerin Christine Bergmann packten Stein auf Stein, fürs Fernsehen auch zweimal, die Wichtigkeit des Ehrenamts wurde gewürdigt, allen Helfern gedankt. Schirmherrschaften zählen zu den angenehmen Seiten des politischen Tagesgeschäfts.

Aber wie immer ist es mit Reden nicht getan: Denn auch wenn Dr. Christine Bergmann den Grundstein für das neue Domizil der Arztpraxis und Beratungsstelle für Obdachlose am Ostbahnhof legte, müssen die Räume der St.-Andreas-Gemeinde für die Anforderungen einer Praxis erst noch umgebaut und eingerichtet werden. Ab dem 24. August erwartet die MUT Gesellschaft für Gesundheit mbH als Träger des Obdachlosenprojekts deshalb Freiwillige aus ganz Europa, die auf eigene Kosten nach Berlin kommen, um am Aufbau mitzuhelfen.

Die ehrenamtliche Unterstützung verdanken sie dem Förderverein Habitat for Humanity in Deutschland e.V., die den Einsatz von Freiwilligen in sozialen Projekten koordiniert. Im internationalen Jahr der Freiwilligen machen sie auch vor Politikern nicht halt. „Politiker könnten sich deutlich mehr Respekt verschaffen, wenn sie manchmal nicht nur reden, sondern auch zupacken würden“, unterstreicht Geschäftsführerin Ruth Halver ihre Erwartungen an Schirmherrin Bergmann. Während diese vor der Grundsteinlegung noch abgewartet hatte, hatten andere die Erwartungen schon übertroffen. Die Post AG, auf deren Gelände die soziale Einrichtung seit 1998 beherbergt ist, duldet die Praxis noch mietfrei, obwohl der Vertrag längst abgelaufen ist.

Die St.-Andreas-Gemeinde wird Berlins Obdachlosen langfristig eine zuverlässige Anlaufstelle bieten. Fünf Jahre sichert der Mietvertrag das Bleiberecht – mit der Option, weitere fünf Jahre zu verlängern.

Die schon am Ostbahnhof praktizierende Ärztin Jenny De la Torre – von manchen auch „Engel der Obdachlosen“ genannt – betont, wie wichtig die Arbeit für die offiziell geschätzten 10.000 Obdachlosen in Berlin ist. Ihre Patienten hätten Krankheitsbilder, die unter gesetzlich Versicherten praktisch nicht mehr vorkämen.

Unterdessen packte Christine Bergmann der Eifer: „Ich kann auch Schrubben.“ Und vereinbarte für den September einen Termin zum Mitarbeiten. Respekt! ARMIN BEBER