Zermürben und weitermelken

Wenn eine Mobilfunkfirma die Preise erhöht, gibt es ein Kündigungsrecht mit einmonatiger Frist: Doch vor allem kleine Mobilfunkfirmen lassen sich einiges einfallen, um ihre Kunden bis zum bitteren Ende als Gebührenzahler zu behalten

von MATTHIAS SPITTMANN

Im Frühjahr dieses Jahres hatten verschiedene Mobilfunkanbieter ihre Preise erhöht – und damit ihren Kunden ein außerordentliches Kündigungsrecht beschert. Was diejenigen erleben mussten, die dieses Sonderkündigungsrecht genutzt haben, dürfte in vielen Fällen auch den Staatsanwalt interessieren.

Handyverträge werden üblicherweise mit einer Mindestlaufzeit von zwei Jahren geschlossen. Für diese Zeit ist der Kunde an den Vertrag gebunden – der Mobilfunkanbieter aber auch. Will das Unternehmen die Preise erhöhen, hat der Kunde im Gegenzug ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht.

Zum Januar beziehungsweise zum März hatten die Netzbetreiber T-D1 und E-Plus ihre Preise erhöht. Viele Provider, die bei den Netzbetreibern Gesprächszeiten einkaufen und diese auf eigene Rechnung weiterverkaufen, hatten diese „Preisanpassungen“ übernommen. Die Finanzstrategen hatten aber nicht mit ihren Kunden gerechnet: Eine große Welle von Sonderkündigungen brachte T-D1 noch vor dem Versand der ersten Rechnung mit den neuen Preisen dazu, die Anhebung zurückzunehmen. Die Zufriedenheit der Kunden, so hieß es bei der Telekom-Tochter, sei oberstes Ziel.

Doch etlichen Kunden kam die Preiserhöhung ganz gelegen – konnten sie mit dem Sonderkündigungsrecht doch vorzeitig aus ihrem Zweijahresvertrag raus, das subventionierte Handy aber behalten. „T-Mobil hat seine Kunden unterschätzt“, meint Karin Thomas-Martin von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Nach dem Motto „die merken schon nichts“, habe die Firma darauf verzichtet, wie vorgeschrieben auf das Sonderkündigungsrecht hinzuweisen. „In Zeiten des Internets hat so eine Strategie aber keine Chance mehr“, urteilt die Verbraucherschützerin. Immerhin hat die Telekom-Tochter ohne Murren alle Sonderkündigungen vor dem Kurswechsel akzeptiert.

Anders im Fall der SMS-Preiserhöhungen bei E-Plus zum März, also nur zwei Monate später: Auch diese „Preisanpassung“ hatten die meisten Provider übernommen. Der Ablauf war der gleiche: Preiserhöhung, massenweise Sonderkündigungen, Rücknahme der Erhöhung bei vielen Providern. Mit einem Unterschied: „Die Mobilfunkanbieter wollten nicht eingestehen, dass sie einen kapitalen Bock geschossen hatten“, sagt Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz, der auf seinen Internetseiten Informationen dazu anbietet. Stattdessen hieß es gegenüber kündigungswilligen Kunden oft schlicht: Es habe niemals eine Preiserhöhung gegeben, mithin niemals ein Sonderkündigungsrecht bestanden. Die Kunden, die sich zumeist einen neuen Vertrag zugelegt hatten, sollten in die Röhre schauen. So behauptete etwa der E-Plus-Provider Telepassport in einem Schreiben Mitte März: „Ihr Vertrag läuft unverändert weiter.“ Der Hinweis auf dem Newsfeld der Januarrechnung, in dem die Preiserhöhung vorab angekündigt worden war, „betraf nicht die Tarife und Kunden der Telepassport AG.“ Tatsächlich aber hatte die Hotline der Telepassport vor dem Rückzug die Preiserhöhung sogar auf Nachfragen bestätigt.

Auch für Anwalt Kotz ist der Fall eindeutig: „Spätestens zum Zeitpunkt der Kündigung gab es eine Preiserhöhung und somit einen Kündigungsgrund.“ Die Nichtanerkennung einer berechtigten Kündigung und Weiterberechnung der Grundgebühren sei auch strafrechtlich bedenklich. „In vielen Fällen könnte möglicherweise ein Betrug vorliegen. In der Praxis wird man aber Probleme haben, einen Betrugsvorsatz nachzuweisen“, urteilt Kotz. Im Zweifel setzen die Firmen auf Zermürbung ihrer Kunden: Sonderkündigungen wurden etwa stillschweigend in reguläre Kündigungen umgedeutet – mit normaler Frist.

Doch nicht alle Firmen nahmen die Preiserhöhung zurück – so etwa Talkline aus Elmshorn. Trotzdem wollen sie keine Sonderkündigung akzeptieren. Talkline hatte von Anfang an darauf bestanden, dass sich aus der Erhöhung kein Sonderkündigungsrecht ergebe. Im Gesetz und selbst in den Geschäftsbedingungen der Firma steht allerdings das Gegenteil, doch deren Einhaltung muss jeder Kunde notfalls einzeln vor Gericht erstreiten.

Infos: www.ra-kotz.de/handys.htm