bascha mika über Leidenschaften
: Der Welthandel wird wanken

Oder: Warum Verona Feldbusch das Vorbild für die Kritiker der Globalisierung sein sollte

Globalisierung. Feldbusch. Beide hatten kürzlich ihren Gipfel, die eine in Genua, die andere bei einem Talkduell im ZDF. Beide brachten es zu enormen Einschaltquoten und anhaltend medialer Nachbetrachtung. Und beide sind Reizworte, die sich prächtig dazu eignen, jede Party mit wüsten gegenseitigen Beschimpfungen zu sprengen. Gibt es also eine geheime, uns bisher entgangene Verbindung zwischen dem Faktor Feldbusch und dem Phänomen Globalisierung (genauer: deren Kritikern)?

Ja. Und zwar dort, wo sie niemand vermutet: Was die Globalisierungsskeptiker von Verona Feldbusch gelernt haben, ist ein leidenschaftlich leidenschaftsloser Pragmatismus. Eine Orientierung am Nützlichen, vor der es allen sozialrevolutionären und frauenbewegten Utopisten so richtig schön gruselt.

Einst hieß Protest, die Welt aus den Angeln zu heben, und zwar sofort. Für die Politaktivisten der 68er war der Straßenkampf so etwas wie der Sturm auf die Bastille. Stets ging es ums Ganze: um das Ende aller Kriege, die neue Gesellschaft, die absolute Gerechtigkeit. Das Böse war immer und überall und Revolution auch immer Happening.

Stilgeschichtlich, schreibt die Zeit, habe bisher keine Schlacht der Gipfelgegner das Muster der Anti-Vietnamkrieg-Demos verändert, abgesehen von der Kommunikation unter den Demonstranten und ihrer Mobilität. Das ist natürlich Unsinn. Denn was sich verändert hat, ist die grundsätzliche Haltung zum Protest.

Wer heute einen Gipfel friedlich stürmen will, geht vorab zu Vorbereitungstreffen – wie zum Sprachkurs in die Volkshochschule. Er kümmert sich um eine Auslandskrankenversicherung, falls er in Göteborg oder Genua Zahnschmerzen kriegt, und vergisst weder Sonnencreme noch Müsliriegel. Und wenn die Oma Goldenen Hochzeitstag hat, schwänzt der pragmatische Protestierer den Gipfel und feiert mit der Familie. Nüchternheit statt aktivistischer Überschwang.

Ähnlich pragmatisch definieren die Globalisierungskritiker ihre politischen Ziele. Kein Wunder, dass eine ihrer wichtigsten Organisationen, die Gruppe Attac, die Regulierung der Finanzmärkte über eine Umsatzsteuer auf internationale Finanzgeschäfte erreichen will. Eine Sprache, die Finanzmakler bestens verstehen.

Bei aller Empathie für die Globalisierungsverlierer treibt die Aktivisten keine Vision von der besten aller Welten, sondern nur die Hoffnung auf eine bessere. Und wenn zum Erreichen dieses Ziels die Bild nützlich ist, wird sie eben eingespannt. Die Globalisierungskritiker sind, findet der Spiegel, wie „Polit-Facharbeiter auf Montage“. Gut ausgebildet, erfolgsorientiert.

Und das sollen sie von Verona Feldbusch haben? Ganz recht. Die firmiert vergleichbar unter dem Titel Medien-Facharbeiterin. Nach dem Streitgespräch zwischen Feldbusch und Alice Schwarzer kürzlich im ZDF fragten sich alle verzweifelt, ob denn Feldbusch nun eine emanzipierte Frau sei oder nicht. Viele waren wie die feministische Patriarchin heillos irritiert, dass Feldbusch den Schwarzer’schen Emanzipationsbegriff schlicht lächerlich fand. Warum wohl? Weil es darum gar nicht geht. Feldbusch ist weder un- noch emanzipiert. Sie ist jenseits von Gut und Böse pragmatisch. So wenig wie es den Globalisierungskritikern um Utopie geht, geht es ihr um so etwas Grundsätzliches wie weibliche Selbstbestimmung.

Schwarzer hält sich stolz für eine „Weltverbesserin“. Feldbusch verbessert ihre Welt, indem sie alles Grundsätzliche daraufhin abklopft, was es nützt. Und weil alles, das nützt, auch gut ist, erübrigt sich die Frage nach dem Prinzipiellen.

Nützlich kann der perfekte Körper sein, das Bedienen Pawlow’scher Reflexe beim Mann genauso wie das permanente Fraternisieren mit dem Fernsehpublikum oder das Verwischen von Identität und Rolle. Da kommt eine Alice Schwarzer nicht mehr mit. Die ist zwar in ihrem unternehmerischen Handeln als fernsehgerechte Oberemanze und Emma-Chefin selbst brutal pragmatisch, darf das aber nie zugeben, da sie – typisch für ihre Generation – alles durch ideologische Überhöhung zu rechtfertigen pflegt.

Dieser Habitus war und ist meistens verlogen. Der leidenschaftliche Pragmatismus einer Verona Feldbusch und die pragmatische Leidenschaft der Globalisierungskritiker hingegen wirken hochgradig authentisch und sind populär. Die Gegner entfesselter Weltmärkte stoßen bei zwei Dritteln

Volks auf Sympathie. Die Feldbusch siegt beim TV-Publikum nach Punkten. Wenn Feldbusch sich nicht nur, wie sie angekündigt hat, demnächst politisch engagiert, sondern auch noch als Globalisierungskritikerin auftritt, als Gipfelstürmerin – der Welthandel geriete ins Wanken.

Fragen zur Leidenschaft?kolumne@taz.de