zersetzung in zwei phasen von KATHRIN PASSIG
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Früher war alles einfacher und hatte pro Ursache nicht mehr als eine Wirkung. Aber seit selbst die Waschmittelhersteller der cartesianischen Forderung folgen, getrennt zu setzen, was getrennt gedacht werden kann, gibt es auch einfachste Konsumgüter in farbkodierter Zwei-Phasen-Ausführung. Dabei musste man dem Verbraucher im unaufgeklärten Kukident-Mittelalter noch unter Zuhilfenahme von weiß bekittelten Fachleuten erläutern, wie diese zwei Phasen nacheinander ganz unterschiedliche Dinge bewerkstelligen können. Heute werden solche Kenntnisse im Sachkundeunterricht vermittelt und auf der Packung gar nicht mehr erwähnt. Was zwei Farben hat, das hat auch zwei Phasen, und zwei Phasen sind allemal besser als nur eine.

Das hat z. B. die Firma Henkel begriffen, deren „Persil Tabs“ aus einer normalen weißen Komponente und einer „zusätzlichen blauen Kraftreserve mit speziellen Wirkstoffen“ bestehen. „Beide Phasen werden in einem aufwendigen Fertigungsverfahren hergestellt und zu einem Tab geformt. So werden die unterschiedlichen Inhaltsstoffe erst dann aktiv, wenn es darauf ankommt: beim Waschen“, anstatt schon in der Packung miteinander zu mauscheln und das weitere Vorgehen abzusprechen: Wenn die erste Phase die Wäsche sauber geschrubbt hat und die Aufmerksamkeit der Waschmaschine nachlässt, gehen die militanten Wirkstoffe der Kraftreserve ans Werk, färben alles Weiße rosa und zersetzen einen zufällig ausgewählten Socken.

Das würde zwar manches erklären, aber eigentlich erkennt auch der misstrauischste Verbraucher, dass sich hinter zwei Farben und zwei Phasen genau eine einzige Geschmacksrichtung verbirgt. Zu beobachten ist das außer bei Waschmitteltabs bei gestreifter Zahnpasta, Marmorkuchen, Koalitionen und rosa-weißen Schaumwaffeln. Zwei Farben suggerieren dramatische Unterschiedlichkeit der Komponenten, aber die Wirkung ist letztlich Jackenphase wie Hosenphase.

Ich befrage meinen Nachbarn, den Künstler, nach den Hintergründen dieser Farbkodierung, aber er dementiert rundheraus, dass es Zweifarbigkeit überhaupt gibt. Großformatige schwarze Bilder kleiden seine schwarze Wohnung von der schwarzen Decke bis zum schwarzen Boden aus. Vermutlich hat er gerade seine schwarze Phase oder vielmehr zwei davon. Schließlich sind die Zeiten der öde-versöhnlichen Emulsionen und der 2-in-1-Shampoos vorbei. Die Gegenwart gehört dem Baukastenprinzip, bei den Betriebssystemen wie beim Waschpulver. Sogar für die Beziehung halten sich viele lieber einen herkömmlichen Wirkstoff und eine externe Kraftreserve, anstatt von einem einzelnen Mittel alles zu erwarten.

Und das ist auch gut so, schließlich ist das Ganze das Unwahre und meist viel weniger als die Summe seiner Teile, wie sich bei zwei Halben Bier ganz leicht ausrechnen lässt.

Die zwei Phasen dieses Textes wurden in einem aufwendigen Fertigungsverfahren hergestellt und zu einer Kolumne geformt. So werden die unterschiedlichen Inhalte erst dann aktiv, wenn es darauf ankommt: beim Lesen.