Die Traumdiebe bezwingen

■ Hamid Skif schreibt für den Frieden in Algerien

„Ich bin Berber. Und Araber. Und Westler. Das Produkt einer komplexen Identität, die sich sucht. Noch heute.“ Diese Worte stellte Hamid Skif, algerischer Schriftsteller im deutschen Exil, seinen Gedichten und Prosawerken voran, die er am Montagabend im Amandahaus vortrug. „Der beste Beweis dieser Bruchstück-Identität ist, dass ich zwar in der maghrebinischen Vorstellungswelt lebe, aber auf französisch schreibe“, so der Autor. Veranstaltet wurde der Abend von der GAL-Bürger-schaftsgruppe in der Reihe „Literatur in der Migration“.

Ein unmöglicher Typ bin ich, Veteran eines vergessenen Krieges... Der Krieg hat mein Gedächtnis in Mondgestein verwandelt, meine Haut durchsiebt und meinen Blick getrübt... Unaufhörlich rede ich über Abwesenheit.

„En guise d'alerte“ (dt. „Vorwarnung“) heißt das Gedicht, mit dem sich der Autor vorstellt. Doch wer ist dieser Typ, der von Abwesenheit redet, von Tod?

Hamid Skif, 1951 im algerischen Oran geboren, arbeitete in Algerien als Journalist. Er berichtete über Folter in algerischen Gefängnissen, geriet deshalb Anfang der Siebziger in Haft, setzte seine Arbeit nach seiner Freilassung fort. Bis radikale Muslime sein Leben bedrohten. Skif floh 1997 mit seiner Familie nach Hamburg.

Die Erinnerung wegpacken, aufgeben, bloß um den Frieden zurückzugewinnen? Nein. Skif hält stand. Wie die Frauen in seiner Novelle Les Souvenirs. Er will sie nicht vergessen, „die Tränen unserer schmerzverzerrten Körper“, all die in Algerien ermordeten Vertrauten. Heiserkeit bedeckt seine Stimme, wenn er in seinem Gedicht „In Handschellen“ von der Verhaftung eines Freundes erzählt. Das melodiöse Französisch des Autors wird aufgerieben zwischen harten Konsonanten und einer Vulgärsprache, mit der er sie auskotzt: die Verachtung für Bullen, die „bis an die Zähne bewaffnete Gedichte lieben“.

Doch Skif ist nicht nur analytischer Beobachter einer grausamen Realität. Da ist auch der sich der Welt ent-träumende Erzähler schillernder Geschichten, die in ihrem Irrwitz an die arabischen Märchen seiner Kindheit erinnern. Nicht die Erinnerungen verbannen, sondern die „Traumdiebe bezwingen“, lautet Skifs Überlebensstrategie. Sein kostbarster Traum: die Rückkehr in ein friedliches Algerien. Dafür kämpft er. Durch Schreiben. Stefanie Hundsdorfer