Sonne macht jetzt Kopfschmerzen

In den kommenden Tagen werden wieder die Ozonwerte steigen. Der Senat tröstet: Kein Problem für Berlin. Aber die Berliner Abgase verpesten die gesamte Region. Grüne: Wir können nur an die Autofahrer appellieren, aufs Fahrrad umzusteigen

von PLUTONIA PLARRE

Die Wettervorhersage lässt nicht nur Gutes ahnen. Bei Temperaturen bis zu 30 Grad unter Hochdruckeinfluss werden bis zum Wochenende auch die Ozonwerte ansteigen. Nach Angaben des Wetterdienstes Potsdam sind in Berlin und Umland heute Werte von 130 bis 180 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft zu erwarten. „Das kann in den nächsten Tagen noch zunehmen“, sagt Metereologe Heinz Eckner. Werte ab 120 Mikrogramm werden von der Weltgesundheitsorganisation WHO für gesundheitlich bedenklich gehalten.

Für Kinder, alte und kranke Menschen bedeutet das Stubenarrest. Den Autofahrern hingegen, die mit ihren Abgasen kräftig zur Bildung des Sommersmogs beitragen, werden keine Beschränkungen auferlegt. Da hält es die rot-grüne Übergangsregierung mit der großen Koalition. In der zuständigen Senatsverwaltung für Umweltschutz von Peter Strieder (SPD) wird so getan, als sei Sommersmog für Berlin kein Problem. „Wir haben keinen“, so der zuständige Abteilungsleiter Manfred Breitenkamp. Anfang der Neunzigerjahre seien noch 180 Mikrogramm und mehr gemessen worden. Seither seien die Werte aber regelmäßig zurückgegangen. Das liege an der zunehmenden Ausstattung der Autos mit Katalysatoren und einem geringeren Stickoxidausstoß der Industrie. Der Greenpeace-Verkehrsexperte Karsten Smid sieht das anders: „Berlin ist die größte Smogquelle in der Region.“ Für die Hauptstadt selbst sei das Thema vielleicht kein Problem. Die Verkehrsabgase entwickelten sich erst auf dem Weg auf Land unter intensiver Sonneneinstrahlung zu Ozonsmog, weiß Smid. Nachdem es die rot-grüne Bundesregierung nicht für nötig befunden habe, ein Ozongesetz zu verabschieden, seien die Landesregierungen gefordert. „Es ist unverantwortlich, wie mit der Gesundheit von Kindern gespielt wird.“

In Deutschland existierte von 1995 bis 1999 ein Ozongesetz. Es sah vor, dass die Bevölkerung ab 180 Milligramm über die erhöhten Ozonwerte informiert werden musste. Ab 240 Mikrogramm herrschte für Autos ohne Katalysator mit hohem Schadstoffausstoß Fahrverbot. Nach dem Auslaufen des Gesetzes versäumte es die rot-grüne Bundesregerung, ein neues Gesetzespaket zu schnüren. Der Grund dafür sei, dass sich Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) mit seinen Vorstellungen nicht gegen den „Autokanzler Schröder durchsetzen konnte“, erklärt der umweltpolitische Sprecher der Berliner Grünen, Hartwig Berger. Verabschiedet wurde nur ein Sofortprogramm, das neben emissionsreduzierenden Maßnahmen die Einführung eines so genannten Ozontickets im Nahverkehr vorsieht. Die Einführung für diesen Sommer scheiterte aber daran, dass weder der Bund noch die Länder noch die Verkehrsverbände die Kosten dafür übernehmen wollten.

„Wenn der Bund nichts tut, muss Berlin ran“, meint der Greenpeace-Verkehrsexperte Karsten Smid. „Emissionsschutz ist Ländersache.“ Berlin könne deshalb bei hohen Smogwerten durchaus Fahrverbote verhängen. Hartwig Berger hat eine andere Rechtsauffassung. Fahrverbote könnten ohne ein entsprechendes Bundesgesetz nicht erlassen werden. Allerdings müsse die Einführung eines Ozontickets vorangetrieben werden. Ansonsten bleibe nur „der Propagandaweg der guten Tat“: freiwillig aufs Fahrrad umsteigen.