Ostseeüberfahrt wird Sicherheitsrisiko

Kritik an deutsch-dänischer Reederei Scandlines: Häufung von Unfällen und Schäden durch rigorose Einsparungspolitik

KOPENHAGEN taz ■ Dreimal in einem Monat waren Ostseefähren der deutsch-dänischen Reederei Scandlines in Unfälle verwickelt. Dies ist kein Zufall, sondern die Spitze des Eisbergs. Ursache ist eine Einsparungspolitik, die sich nun auf die Sicherheit der Passagiere auswirkt, meint die Kopenhagener Tageszeitung Politiken in einem Freitag veröffentlichten Bericht. Der kritisiert die vom dänischen Staat und der deutschen Bahn betriebenen Fährschiffreederei scharf.

Der frühere Kapitän des Fährschiffs „Sassnitz“, Udo Förster, spricht von einer „dramatischen Situation auf den Schiffen“. Die Unfallserie in der Hauptreisesaison hatte damit begonnen, dass die „Prinsesse Benedicte“ die Hafeneinfahrt von Puttgarden rammte und die Passagiere stundenlang warten mussten, bevor sie an Land konnten. Dann brach mitten in der Ostsee auf der 12 Jahre alten „Sassnitz“ ein Brand im Maschinenraum aus, wenige Tage später ein neuer Brand auf der 30 Jahre alten „Rügen“. Zwar verliefen die Unfälle ohne Personenschaden. Doch der Brand auf der „Sassnitz“ ging knapp an einer Katastrophe vorbei. Eine internationale Rettungsaktion war eingeleitet, die Rettungsboote waren ausgeschwenkt, und die Passagiere standen mit Schwimmwesten an Deck, als der Brand gelöscht werden konnte.

Feuer im Maschinenraum gilt unter Seeleuten und bei den Seesicherheitsbehörden in der Regel als deutlicher Hinweis für Wartungsmängel. Bei der „Sassnitz“ war es vermutlich eine undichte Treibstoffleitung. Udo Förster, von 1989 bis Ende letzten Jahres Kapitän der „Sassnitz“, wundert sich nicht: Das Budget und die Werftreparaturlisten seien „gnadenlos zusammengestrichen“ worden. Es habe eine lange Reihe von Zwischenfällen gegeben, von denen nichts nach außen drang: Beinahekollisionen, Bugklappen- und Maschinenschäden, kleinere Brände, Grundberührungen. Udo Förster: „Wer die Sicherheitsdokumentationen anschaut, fällt hintenüber.“ Die Reederei verweise darauf, dass die Besatzungen immer alles in den Griff bekommen hätten, doch verharmlose man damit nur „die dramatische Situation auf den Schiffen. Die Angst fährt mit.“

Scandlines sieht dies anders. „Wir halten uns an die gültigen Sicherheitsvorschriften“, betont Reedereisprecherin Martina Golla-Paap, gesteht aber ein, dass es durch den starken Konkurrenzdruck „ökonomische Zwänge“ gebe. Detlef Kobrow, Gesamtbetriebsrat bei der Reederei meint, „bei Scandlines wird über nichts anderes als Einsparungen geredet“ und berichtet von stetigen Personalkürzungen auch auf der „Sassnitz“. Von früher 28 war die Zahl der Besatzungsmitglieder erst auf 25 gestrichen worden, jetzt sei eine weitere Reduzierung auf 21 genehmigt – eine Kürzung auf 18 war diskutiert worden. Die Seeberufsgenossenschaft, so Kobrow, habe sich damit zum „Handlanger der Reeder“ gemacht: „Das geht auf die Knochen der Leute und zu Ungunsten der Sicherheit von Passagieren und Besatzung.“

REINHARD WOLFF