Sturm im Glas

Barfuß im Regen: Cesaria Evora von den Kapverdischen Inseln singt heute im Garten der Alten Nationalgalerie

Im Winter stand sie vor einer enthusiasmierten Fangemeinde in der Berliner Philharmonie, die kleine Sängerin von den Kapverden. Barfuß tritt sie auf – und erdverbunden wirkt ihre Stimme und ihre Musik. Kuba und Brasilien sind präsent und ihr Timbre entwickelt sich im Idiom des Kriolu besonders einschmeichelsam. Viel kann man sich zusammendichten zu ihrer Heimat. Die Zeit schickte gar ihren Musikreporter auf die Inselgruppe, die nicht weit südlich der Kanaren ohne viel Touristenbeachtung vor sich hindümpelt. Die Portugiesen benutzten die Kapverden als Schiffsbasis und so kam wohl auch der melancholische Fado als Ladung in den Hafen.

Cesaria Evora wurde erst mit über 50 außerhalb der portugiesieschen Welt bekannt. Die Buena-Vista-Sozialisierung der Erde bahnte ihr gerade noch rechtzeitig vor der Rente den barfüßigen Weg. Und dann hatte sie sogar eine Art Hit. „Sodade“, ein Song der eine eigentümliche, etwas schwüle Langsamkeit und Relaxtheit verströmt. Unser Mann bei der Zeit nannte es die „Sehnsucht nach einem unbenennbaren Ursprung“. Nun ja.

Das Wetter auf den Kapverden soll recht wechselhaft sein. Nicht nur bei Regen findet man im Hause Evora, bei „Cize“, immer ein trockenes Dach überm Kopf. Angeblich soll hier fast jeden Tag Party sein – obwohl die Evora vor einigen Jahren dem Alkohol abschwor. Blues, Depression und Dauerregen haben ihr Herz jedenfalls nicht zu sehr verfinstert, um kurz vor ihrem Sechzigsten im August nicht auch noch open air in der Konzertreihe im Garten der Alten Nationalgalerie aufzutreten.

Sicher wird sie auch hier wieder ein Fläschchen Wasser auf einen Bartisch neben sich stellen. Auch eine meditative Rauchpause dürfte wieder drin sein. Denn das gemütliche Rauchen hat sie sich noch nicht abgewöhnen können. Die rundliche Lady entlockt ihrem Körper gern mal ein lautstarkes Lachen, wenn der Beifall ihr allzu heftig ins Gesicht bläst. Nur keine Aufregung beim Konzert, tänzelt ihr lieber um die steinernen Säulen herum! Musik für Verliebte oder solche, die sich gern verlieben würden.

Ausschweifende Ansagen sind ihr Ding nicht. Mit einem zärtlich dahingehauchten Obrigado muss man sich schon begnügen. Inzwischen ist Cesaria auch in Paris zu Hause. Ihre letzte CD heißt „Sao Vincente“ und darauf befindet sich auch ein Duett mit der Sängerin Bonnie Raitt. Auch die CD „Café Atlantico“ ist recht bekömmlich, falls Sie auch im Winter mal ein wenig Evora zu sich nehmen wollen. Nur wer die Lindenstraße wirklich liebt, darf sie die Mutter Beimer des Herz-Schmerz-Sounds nennen.

ANDREAS BECKER

Heute, 20 Uhr, im Garten der Alten Nationalgalerie mit 14-köpfigem Orchester; nach dem Konzert, ca. 22.30 Uhr, Filmprogramm: „TGV Expreß“