Embryonen gehen in Serie

Erstmals haben US-Mediziner menschliche Embryonen nicht für Fortpflanzungs-, sondern allein für Forschungszwecke produziert. In Deutschland will die FDP in die Embryonenzucht einsteigen

BERLIN taz ■ Amerikanische Mediziner haben erstmals Stammzellen aus menschlichen Embryonen gewonnen, die eigens für diesen Zweck hergestellt wurden. Damit eilt die Forschung einmal mehr der Politik voraus. Denn selbst in den USA ist dieses Verfahren sehr umstritten.

Die Stammzellen wurden am Jones Institute in Virginia, einer der weltweit führenden Reproduktionskliniken, hergestellt. Die Mediziner baten 12 Frauen um Eispenden und zahlten ihnen dafür 3.400 Mark pro Ei. Das Sperma wurde zwei Männern für 110 Mark pro Samenspende abgekauft. Per künstliche Befruchtung wurden 110 Embryonen gewonnen, 50 weiterentwickelt bis zu kleinen Zellhaufen von bis zu 300 identischen Zellen. 40 davon wurden vernichtet, um daraus schließlich drei Zellkulturen von Stammzellen zu gewinnen.

Die Wissenschaftler begründen ihr Vorgehen unter anderem damit, dass „überzählige“ (bei künstlicher Befruchtung abfallende) Embryonen bereits eingefroren sind – und daher von schlechterer Qualität. Die New York Times spricht jetzt von „Tabubruch“.

Trotzdem kommt die Nachricht nicht überraschend. „Es war ja bereits vermutet worden, dass irgendwo auch frische Embryonen für Stammzellen hergestellt werden“, sagte Wolfgang Wodarg, SPD-Obmann der Medizin-Enquetekommission, der taz. Wodarg lehnt selbst den Verbrauch von überzähligen Embryonen ab. Es sei ohnehin kaum zu kontrollieren, ob Embryonen wirklich überzählig seien oder gleich für die Stammzellengewinnung abgezweigt würden. „Ich wäre ja blöd als Wissenschaftler, die Embryonen erst einzufrieren, wenn dadurch die Qualität leidet.“ Wodarg fordert daher ein neues Fortpflanzungsgesetz, das die gesamte Reproduktionsmedizin strenger reguliert.

Die FDP hat hingegen keine ethischen Bedenken gegen das Erzeugen von Embryonen für die Forschung. Allerdings müsse ein „privatwirtschaftlicher Wildwuchs wie in den USA“ verhindert werden, sagte die FDP-Expertin Ulrike Flach, die auch den Forschungsausschuss des Bundestages leitet, zur taz. „Ich würde aus ethischen Gründen keinen Anstoß daran nehmen, wenn das in Deutschland an wenigen Stellen staatlich kontrolliert gemacht würde.“ Dies sei auch notwendig, um auf Dauer genügend Stammzellen für die Forschung bereitzustellen. Diese Position sei jedoch hierzulande nicht mehrheitsfähig. Deshalb werde die FDP im Herbst bei der Bundestagsentscheidung zur Stammzellenforschung vorschlagen, zunächst nur überzählige Embryonen zu verwenden.

MATTHIAS URBACH

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