schade, dass ich kein moped bin
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von RALF SOTSCHECK

Ich war lange nicht mehr in Cork. In keiner anderen Stadt Irlands gebe es eine solche Anhäufung merkwürdiger Menschen, behaupten die Iren. Die Dubliner meinen gar, Leute aus Cork seien überhaupt keine Iren. Neulich mussten mein Kollege Aribert und ich aus beruflichen Gründen nach Cork.

Das Isaac’s Hotel ist nicht leicht zu finden, wir sind auf die Hilfe der Eingeborenen angewiesen. Der Erste, den wir fragen, ist Mopedkurier für eine Pizzeria. Er schlägt vor, dass wir einfach hinter ihm herfahren, er würde ohnehin am Hotel vorbeifahren. Wir sausen durch die Stadt, bis wir in einer Sackgasse landen, während der Mopedpizzamann über den Bürgersteig rast und in einer Seitenstraße verschwindet. Aha, Cork also, denken wir uns und wenden. Plötzlich taucht der Mopedfahrer wieder auf. „Ich dachte, ihr seid ein Moped“, meint er. Nun sei alles viel komplizierter. Wir müssen über die Brücke auf die andere Seite des Flusses und über eine andere Brücke wieder zurück. „Wegen der Einbahnstraßen“, sagt er. „Schade, dass ihr kein Moped seid.“ Schade, dass der Mopedfahrer keine Ahnung hat. Seine Beschreibung ist zwar genau, führt aber zum falschen Hotel.

Doch schon finden wir einen anderen hilfsbereiten Corker. Er kenne das Hotel sehr gut, sagt er, neulich erst habe er dort mit seiner Großnichte gespeist. Es sei keine zehn Minuten entfernt. Zu Fuß. Mit dem Auto würde es doppelt so lange dauern, wegen der Einbahnstraßen. Da wir das Auto aber nicht in der Innenstadt stehen lassen können, entscheiden wir uns für den abenteuerlichen Weg. „Also“, beginnt er seine Wegbeschreibung, „da vorne rechts, bis zum Ende der Straße, dann links über die Brücke, gleich rechts, erste Straße links. Kapiert?“ Ich bejahe, was ihn nicht daran hindert, die Beschreibung zu wiederholen. „Kapiert?“ Ich nicke stumm und voller Entsetzen, weil er wieder von vorne beginnt. Bin ich in der Endlosschleife eines Films gelandet? Nach dem vierten Mal muss ich die Beschreibung aufsagen, dann ist er wieder dran. Wir fahren los, während er die siebte Runde anfängt.

Auch diese Wegbeschreibung ist falsch, sie führt uns geradewegs in den Hafen. Aribert schlägt vor, ich solle den Mann am Kai fragen. Ich weigere mich zunächst, weil er trotz strahlenden Sonnenscheins eine Pudelmütze auf dem Kopf hat, aber es ist niemand anderes in der Nähe. Meine Vorahnung erweist sich umgehend als richtig. Unser Hotel sei völlig unwichtig, sagt er, wir sollten uns lieber darum kümmern, dass er vom irischen Geheimdienst bereits zwei Mal angeschossen worden sei und seine Tochter vom Herzog von Cornwall in Warschau gefangen gehalten werde. Er habe sich bereits an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt. Dann zieht eine dicke Akte aus der Tasche. Außerdem habe er den ganzen Fall auf einer Audiokassette dokumentiert, fügt er hinzu und will die Kassette gleich ins Autoradio schieben.

Am Ende finden wir unser Hotel dann doch noch, weil wir nach dem Metropole Hotel fragen. Man schickt uns schnurstracks zum Isaac’s Hotel. So ist er, der Corker.