Strategie vorhanden, Lösung nicht

Bis zum 15. Juli soll in Makedonien über eine Verfassungsänderung verhandelt werden – wenig Zeit

TETOVO taz ■ Freitag, 0 Uhr, sollte der vereinbarte unbefristete Waffenstillstand in Makedonien beginnen. Schon zwei Minuten später war er gebrochen: Die makedonische Armee feuerte von Stellungen in Tetovo aus Granaten auf vermutete Stellungen der albanischen Rebellen in den Bergen oberhalb der Stadt. Und auch an anderen Stellen der inzwischen auf 100 km ausgedehnten Frontlinie, die von Kumanovo im Osten bis in die Berge westlich Tetovos reicht, wurde geschossen. Doch am Morgen war endlich alles ruhig. Und so blieb es bis zum Freitagnachmittag.

„Einige Kommandeure der Armee waren vermutlich sauer, dass es zu dem Abkommen gekommen ist,“ sagt Boris Eframov, ein slawisch-makedonischer Student aus Skopje. Kritische Stimmen wie die seine sind jedoch selten. Die internationale Seite wolle dem Land eine politische Lösung nach ihrem Geschmack aufzwingen, ist der Tenor vieler Medien. Das Abkommen diene lediglich der Entwaffnung der UÇK, politisch werde die Regierung keine Kompromisse mit den „Terroristen“ eingehen.

In Wirklichkeit jedoch hat die Regierung weit gehende Konzessionen machen müssen. Denn seit die potenten internationalen Vermittler, der Spitzendiplomat James Pardew für die USA, der französische Exverteidigungsminister François Leotard für die EU und der langjährige OSZE-Vertreter Max von der Stoel aus den Niederlanden, im Lande sind, hat sich eine Strategie für den Friedensprozess herauskristallisiert. Indem auch die Nato ihre Zurückhaltung aufgab, direkte Kontakte mit der UÇK aufzunehmen, gelang es, die Weichen für einen Verhandlungsprozess zu stellen.

Am Mittwoch stimmte UÇK-Sprecher Ali Ahmeti einem von Nato-Unterhändler Peter Feith vorgelegten Waffenstillstandsabkommen zu – sogar der Perspektive, direkt mit der Nato alle militärischen Fragen, also auch die eigene Entwaffnung, zu klären. Das Trio der politischen Unterhändler erreichte, dass bis zum 15. Juli über eine Verfassungsreform verhandelt werden soll, um die von den Albanern beklagten Diskriminierungen abzubauen. Käme sie zustande, wäre die Vorbedingung erfüllt, die von der Nato für ihren Einsatz gestellt worden ist. Beide Seiten geben sich aber keinen Illusionen hin, in so kurzer Zeit ein Ergebnis zu erreichen.

Der als Hardliner geltende Innenminister Ljupce Buskovski erklärte, es seien noch viele Hindernisse auszuräumen. Der Vizepräsident der kleineren Albanerpartei PDP, Abdulhadi Vejseli, rechnet ebenfalls nicht sofort mit den von den Albanern geforderten Verfassungsänderungen. Die makedonische Seite sei noch nicht so weit, die Formulierung, Makedonien sei der „Nationalstaat der Makedonier“ für die Formulierung, Makedonien sei ein „Staat der Makedonier und Albaner“ oder ein „Staat der Bürger Makedoniens“, aufzugeben. Für den Parlamentsabgeordneten Azis Polozhani sieht die jetzige Lage „positiver als vorher“ aus, weil der „internationale Faktor“ eine größere Verantwortung übernimmt: „Der Friedensprozess kann nur erfolgreich sein, wenn europäische Standards im Zusammenleben der Menschen durchgesetzt werden.“ Einhellig wird von beiden der Einsatz von Nato-Truppen begrüßt, um damit die Lage im ganzen Land zu beruhigen und den politischen Prozess vorwärtszubringen. Dagegen betonte der makedonische Verteidigungsminister Vlado Bučkovski, die Nato käme lediglich wegen der Entwaffnung der UÇK ins Land.

Da nicht mit einer Einigung bis zum 15. Juli zu rechnen ist, könnten die internationalen Vermittler eine Friedenskonferenz à la Rambouillet oder Dayton vorschlagen, um die Gegner anzutreiben. So jedenfalls hoffen die albanischen Vertreter. Sie sind sich internationaler Unterstützung sicher: „Denn es gibt ja eindeutige internationale Normen über Minderheitenschutz und die Freiheit, die eigene Kultur zu leben.“

Derweil hat sich die makedonische Seite vorbehalten, auf „Provokationen“ militärisch zu reagieren. Und die UÇK versuchte noch in der Nacht zum Freitag, die Straße Tetovo–Jashince, die nach Kosovo führt, unter ihre Kontrolle zu bringen. Am Morgen meldete das Verteidigungsministerium, die UÇK sei zurückgedrängt worden. Nachprüfen kann das momentan niemand.

ERICH RATHFELDER