Doch noch Dialoge!

Drei Crashproduktionen im Thalia: Lange Nacht der Autoren mit Stücken von Almut Tina Schmidt, Thilo Reffert und Soma Amos  ■ Von Karin Liebe

Einmal und nie wieder. Für nur eine Theateraufführung zwei Wochen lang proben, lohnt sich das? Anscheinend schon. Denn Die lange Nacht der Autoren bietet im Rahmen der ersten Hamburger Autorentheatertage am Thalia Theater immerhin drei Nachwuchsautoren die Chance, ihre Stücke erstmals der Öffentlichkeit zu zeigen. Und zwar in so genannten Werkstattinszenierungen, die auch die Möglichkeit einer späteren Uraufführung offen lassen. Eine Aufführung auf Probe also.

Dass dieser Abend eine lange Nacht wird, kann man sich bei dem Mammutprogramm vorstellen. Almut Tina Schmidts Zweipersonenstück Phöbe, Thilo Refferts Szenenfolge Schicht und Soma Amos' Vampir-Farce Die Wiedergängerin sind schon einzeln recht umfangreich. Immerhin haben die Regisseure die Vorgabe, jede Inszenierung auf etwa eine Stunde zu begrenzen. Ob sie dann eher Ausschnitte oder eine Art Lesung zeigen, bleibt ihnen überlassen. Mit Umbaupausen sind das immer noch an die vier Stunden Programm.

Die deutschen Gegenwartsautoren könnten keine Dialoge schreiben, meinten kürzlich erst Ulrich Waller und Ulrich Tukur, Leiter der Hamburger Kammerspiele. Kühne Behauptung. Da beweist allein Thilo Reffert mit seinem Stück Schicht das Gegenteil. Die Dialoge des in Magdeburg geborenen und in Berlin lebenden Schriftstellers sind kraftvoll und pointiert. Der Autor hat dem Volk aufs Maul geschaut, ohne in plumpem Naturalismus zu erstarren. Dazu sind die Sätze zu unvollständig, ist die Handlung viel zu bruchstückhaft. In Short-Cuts-Manier schneidet Reffert Skatspielende in einer Kneipe, junge Autonome nach der Straßenschlacht oder eine krebskranke Lehrerin beim Hausbesuch eines Schülers gegeneinander. Was alle Figuren eint, ist ihre Desillusioniertheit und ihr problematisches Verhältnis zur Arbeit – oder zur Arbeitslosigkeit, die quer durch alle Schichten geht. Armin Petras, Schauspieldirektor in Kassel, scheint der richtige Regisseur für dieses Volksstück ohne linke Romantik zu sein. Er gilt als Abonnentenschreck und einer der wichtigsten Nachwuchsregisseure Ostdeutschlands.

Völlig jenseits von realistischen Dialogen ist dagegen Die Wiedergängerin von Soma Amos. Das Stück der in Berlin lebenden Autorin, die unter Pseudonym schreibt, beginnt mit der Bemerkung: „entsetzlich schlecht geschriebener Prolog (wirklich)“ und endet mit einem „völlig überflüssigen“ und „dazu noch schlecht geschriebenen“ Dialog zweier Fledermäuse namens Niff-Niff und Naff-Naff. Haben Tukur/Waller also doch Recht? Können deutsche Gegenwartsautoren keine ordentlichen Dialoge schreiben? Oder hat Soma Amos einfach mächtig Lust auf Trash?

Die Handlung weist in die zweite Richtung: Soma Amos dreht den Mythos von Tristan und Isolde so lange durch den Wolf, bis eine Vampirfarce herauskommt: mit zwei Isoldes, einer „Wahren“, Schönen, und einer Blutsaugerin, die den armen Tristan ins Land der ewigen Beißlust befördern will. Regie bei dem durchgeknallten Stück führt Stephan Rottkamp, der im Herbst als Regieassistent ans Thalia Theater kommt.

Realistischer wird es wieder bei Almut Tina Schmidt. Die 1971 in Göttingen geborene Schriftstellerin, die zurzeit in Tübingen an ihrer Dissertation arbeitet, erzählt in Phöbe von einer jungen Frau namens Ines und dem ehemaligen Lebensgefährten ihrer Schwester Phöbe. Obwohl Phöbe nie auftaucht, ist sie doch die eigentliche Hauptperson des Stücks. Wie ein Phantom geistert sie durch alle Gespräche, bei denen vieles unklar und zweideutig bleibt. Schwester und Ex-Lover definieren sich über die Abwesende und schwanken zwischen großer Liebe und großer Furcht vor ihr. Das rätselhafte Kammerspiel inszeniert Christian Schlüter, der in dieser Spielzeit schon erfolgreich Gesine Danckwarts Girlsnightout auf die Thalia-Bühne brachte.

Die lange Nacht der Autoren“am Thalia Theater. Werkstattinszenierungen: Phöbe von Almut Tina Schmidt, Schicht von Thilo Reffert, Die Wiedergängerin von Soma Amos. 7. Juli, Thalia in der Gaußstraße, 19 Uhr