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Universal macht’s möglich: Ein Zukunftsgespräch über die neue Musikhauptstadt Berlin im Max-Liebermann-Haus

Es gibt Sätze, die sind so klar, so richtig, so ultimativ, dass selbst den eloquentesten Menschen auf sie keine Erwiderung mehr einfällt. „Standortwerbung ist ein ekelhaftes Unternehmen“ sprach also die Dame von der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie, Ingrid Walther, und keiner ihrer vier männlichen Gesprächspartner wollte da noch widersprechen an diesem Abend im Max-Liebermann-Haus am Pariser Platz.

Geladen hatte die Berliner Landesinitiative „Projekt Zukunft“ zusammen mit dem InfoRadio zu ihrem elften, so genannten Zukunftsgespräch, bei dem es um die Musikstadt Berlin gehen sollte, ja, darum, ob Berlin nicht zuletzt nach dem Umzug des Medienkonzerns Universal nicht gleich auch die Musikmetropole Deutschlands sei.

Klar war man sich auf dem Podium darüber, dass Berlin einen „Überfluss an Kreativpotenzial“ besitzt, wie es der Kulturmanager und Professor an der Musikhochschule Hans Eissler, Klaus Siebenhaar, hübsch gewunden ausdrückte. Doch genau so sonnenklar war auch, dass der Musiksender MTV des vielen Geldes wegen eben nach München und nicht nach Berlin gegangen sei, und Berlin gerade in Sachen Kaufkraft noch ein Entwicklungsgebiet darstelle: Als „Kreativbiotop“ allein kannst du nicht überleben, sagte der Bertelsmann-Manager Hartwig Masuch, weswegen selbst 20 Millionen Mark an Subventionen für ein Großunternehmen wie Universal Sinn machten: „Der Umzug von Universal amortisiert sich irgendwann doppelt und dreifach, und die anderen wie EMI oder Warner ziehen dann auch noch nach.“

Doch man hatte auch anderes zu besprechen, schließlich saßen als Kämpfer für das Gute, Wahre und Ursprüngliche noch Flyer-Herausgeber Marc Wohlrabe und Mirko Heinemann von Zitty auf dem Podium. Die beiden berichteten, dass die Szene im Allgemeinen und die Clubszene im Besonderen sich für Standortwerbung und Umzüge von Großunternehmen weniger interessieren würde. Dass es aber wichtig sei, gerade hier ein paar Märker zu verteilen, und es für Clubbesitzer und andere vor allem um die unbeschwerte Nutzung bestimmter Räumlichkeiten gehe (so müssen zum Beispiel die Leute vom Maria Ende Oktober ihre Location aufgeben, weil die Immobiliengesellschaft der Deutschen Post ihnen den Mietvertrag gekündigt hat).

Frau Walthers Aussage, dass in diesem Bereich zumeist „schlecht differenziert gejammert würde“, wusste der unermüdliche Wohlrabe sehr wohl zu kontern. Nicht mal ein Antrag auf gerade 10.000 Mark für seine „Club Commisson“ sei positiv beschieden worden, damit dieser von Wohlrabe initiierte Zusammenschluss von Clubs und Eventveranstaltern eine funktionierende und regelmäßige besetzte Anlaufstation hat. Überhaupt könne es eigentlich keinem „Kreativen“ gut bekommen, da waren sich alle einig, wenn er ein BWL-Studium bräuchte, um sich einigermaßen durchsetzen zu können (ein Problem im Übrigen auch anderer Berufsgruppen: Jeder Mediziner muss heutzutage sein eigener Unternehmer sein).

So machte man an diesem Abend einmal mehr seine Standpunkte klar, betrieb ordentlich Werbung in eigener Sache, wie Klaus Siebenhaar, der erzählte, dass demnächst auch Fritz Rau, „der einzige Konzertveranstalter, den alle lieben“, an der Hans-Eissler-Schule seine Erfahrungen weitergeben würde, und verblüffte wie Hartwig Masuch, der sagte: „Das Internet ist eine wunderbare Möglichkeit, Musik zu fördern!“

Das letzte bemerkenswerte Wort zum Donnerstag aber hatte wiederum die Realpolitikerin Walther: „Wer Geld haben will, muss das erklären können.“

GERRIT BARTELS