Mümmelmanns Metropole

Steinmarder, Fuchs und Habicht zieht es in die Stadt. Exoten wie die chinesische Wollhandkrabbe sind auch schon da  ■ Von Anke Schwarzer

Wildschwein und Reh im Häuserwald? Habicht und Bussard über Asphaltwüsten? Hamburg hat durchaus eine wilde Seite. Gerade die Vielfalt von Standortfaktoren in einer Stadt – wie ständig wechselnde Licht- und Bodenverhältnisse – ermöglichen es den unterschiedlichsten Tieren, sich einzunischen. „Die Stadtökologie ist sehr lebhaft, da sich die Flächen schnell wandeln – zum Beispiel durch bauliche Veränderungen und eine neue Nutzung“, erklärt Daniel Manwire. Das Nachsehen hätten allerdings alle konservativen Arten, die auf stabile Verhältnisse angewiesen seien: „Ein Specht“, sagt der Biologe, „braucht alte Bäume oder Totholz.“ Und das sei nun mal in der Stadt kaum zu finden.

Dafür Fasane, Füchse und Feldhasen. Die gehören zwar in der Regel zu den „Kulturflüchtern“ – mit Menschen wollen sie nichts zu tun haben. Doch das Wohngebiet von Gevatter Fuchs und Co. verkleinert sich im Hamburger Umland. Hecken in der Feldlandschaft werden vernichtet, freie Felder zersiedelt. „Tiere sind sehr klug, sie merken, dass sie auch auf andere Art und Weise leben können“, sagt Wolfgang Poggendorf, Geschäftsführer des Hamburger Tierschutzvereins.

„In der Stadt liegen an jeder Ecke Pommes Frites oder Brotreste, das wissen nicht nur die Möwen und Els-tern zu schätzen“, so der Tierschützer. Wildschweine seien in Randgebieten immer häufiger anzutreffen, und vor zwei Jahren sei mitten im Ortskern von Rahlstedt ein Reh gesichtet worden.

Eichhörnchen leben längst im Stadtpark, aus Nordamerika sind Waschbären und Bisamratten ins Metropolengebiet gekommen, und die chinesische Wollhandkrabbe bewohnt inzwischen auch die Elbe und ihre Seitenkanäle. In Hamburgs stehenden Gewässern, so sie im Winter nicht zufrieren, tummelt sich ein Gast aus Griechenland: Urlauber haben die Rotwangenschildkröte vor etwa 30 Jahren mitgebracht, jetzt geht sie in hanseatischen Tümpeln und Teichen auf Kaulquappenjagd.

Autobahnen, bei menschlichen Anrainern wenig beliebt, locken diverse Feld-Wald-Wiesenbewohner ins vermeintlich kuschliege Umfeld. Wenn die Autos mit bis zu 200 km/h über den Asphalt rasen, dampft nicht nur der Motor: Der aufgeheizte Straßenbelag zieht Iltisse, Marder, Kaninchen und Jungfasane an. Diese wiederum stehen auf dem Speiseplan von Greifvögeln wie Bussard, Sperber und Habicht, die, angelockt von der fetten Beute, über den Pisten kreisen.

Reichlich Wildtierwechsel ließe sich auch in Hamburgs privaten Vor- und Kleingärtchen vermuten. Allerdings tendiert der Hobbygärtner dazu, den zwei- bis vielbeinigen Freunden das Leben schwer zu machen. „Gefüllte Rosen sind zwar sehr schön anzusehen und duften, für Insekten sind die Blumen ohne Staubbeutel aber nichts“, sagt Roger Gloszap vom Landesverband der Gartenfreunde in Hamburg. Auch Dorniges sei auf vielen Parzellen verpönt. „Singvögel brauchen aber Stacheln und Dornen an den Sträuchern, damit sie ihre Nester sicher bauen können“, mahnt der Gartenfreund. Ansonsten sehe man immer wieder mal Ratten, Maulwürfe und Wühlmäuse.

Auch Steinmarder, die manchmal ihre stinkige Fischmahlzeit in die Laube schleppen, zählen zu den Gartenbewohnern. Doch weniger ihr Ort der Nahrungsaufnahme als vielmehr ihr ausgeprägtes Mackerverhalten sorgt für das oftmals gespannte Verhältnis zwischen Marder und Mensch. Nicht blanker Zerstörungswille treibt das putzige Pelztier zum Zerbeißen von Bremsschläuchen und Autokabeln. Riechen sie allerdings Duftstoffe eines Artgenossen, die vorzugsweise an den Autokabeln von Pendlern haften, die in anderen Marderrevieren geparkt haben, werden sie so sauer, dass sie zubeißen müssen.

Veit Henning, Biologe an der Universität Hamburg, hält noch eine weitere Erklärung bereit: Betroffen seien vor allem neue Autos. Der Steinmarder, sagt Henning, stehe einfach auf den Geruch von frischem Gummi.