Das Schlitzohr mit der weißen Nelke

Widersprüchlich, doch immer populär: Heute wird der niederländische Prinz Bernhard 90 Jahre alt

Der Krieg war wohl das schönste Kapitel in seinem Leben. Trotz des Verbots der holländischen Königin Wilhelmina, Einsätze über besetzten Gebieten zu fliegen, genoss Prinz Bernhard seine Rolle als draufgängerischer Pilot in Diensten der Royal Air Force, als Organisator des niederländischen Widerstands gegen die Nazibesatzung. Seine Mitstreiter von damals blieben ihm treu und erweisen dem Vater von Königin Beatrix heute, an seinem 90. Geburtstag, ihre Reverenz.

Über mangelnde Popularität kann sich der charmante Bonvivant aus dem Hause Lippe-Biesterfeld schon vor dem deutschen Überfall nicht beklagen, gilt doch der frisch gebackene Ehemann Prinzessin Julianas vielen Oranierfans als Retter der Monarchie: Im Januar 1938, ein Jahr nach der Hochzeit, ist mit der Geburt von Beatrix immerhin die Thronfolge gesichert. Die Niederländer sehen dem Prinzen seinen Akzent bereitwillig nach, ebenso die Mitgliedschaft in Hitlers SA und der Reiter-SS – laut Bernhard Voraussetzung für die Aufnahme eines Studiums im Dritten Reich. Auch die Tatsache, dass auf einem Empfang kurz vor der Hochzeit das Horst-Wessel-Lied gesungen wird, regt 1937 in Holland keinen auf.

Wie oft auch immer der langjährige Prinzgemahl in den Jahrzehnten seit Kriegsende ins Gerede kommt – nichts scheint seiner Popularität schaden zu können. Von Anfang an nehmen die Mächtigen der Welt die Dienste des wendigen Lobbyisten in Anspruch, der ungern zu Hause den Prinzgemahl gibt. Gern verwendet sich Bernhard als fliegender Botschafter holländischer Geschäftsinteressen im Ausland. Im Argentinien Peróns zieht Bernhard für ein holländisches Bahnunternehmen eine Order über 250 Millionen Gulden an Land. Erst 1976 kommt heraus, dass der Prinz dafür mit Einwilligung der Staatsbank 30 Millionen Schmiergelder gezahlt hat.

1976 wird auch bekannt, dass der US-Flugzeughersteller Lockheed dem Prinzen im Tausch gegen eine Order der niederländischen Streitkräfte 1,1 Millionen Gulden zugesteckt hat. Obwohl Bernhard alles abstreitet, kommt die Regierung zu dem Ergebnis, dass sich der Prinz „allzu leichtfertig in Transaktionen hat verwickeln lassen, sodass der Eindruck entsteht, dass er für Zuwendungen empfänglich ist“. Zwar kommt es auf Druck Julianas nicht zu einer straftrechtlichen Verfolgung, aber dem Prinzen wird nahe gelegt, sämtliche gesellschaftlichen und militärischen Ämter aufzugeben.

Die Ehe mit Juliana besteht Insidern zufolge bereits seit den Kriegsjahren nur auf dem Papier. Schon damals hat es Gerüchte gegeben, er habe gleich von mehreren Freundinnen Kinder. Bernhard mischt sich jahrzehntelang nicht nur mehr in die Politik ein, als dies Regierung und Königin recht sein kann. Er hält auch mit seiner zutiefst undemokratischen Gesinnung nicht hinterm Berg. 1971 etwa schlägt er in einem Interview mit dem NRC Handelsblad ein neues politisches System vor, wonach das Parlament „für ein, zwei Jahre“ ins Abseits gestellt werden solle. Nur so könne die Regierung „richtig arbeiten, ohne dass sie die Hälfte ihrer Zeit mit der Beantwortung von Parlamentarierfragen verplempern“ müsse. Anscheinend egal. Die Popularität des Mannes mit der weißen Nelke ist ungebrochen. Seit er den Widerstand gegen die Nazis führte, hat „Prinz Lockheed“ bis an sein Lebensende Kredit. HENK RAIJER