Verklappte Waffen

Umweltschützer befürchten, dass US-Waffenschrott das Erdbeben von El Salvador verursacht haben könnte

SAN SALVADOR taz ■ Für den Meeresgrund interessierten sich die Salvadorianer bislang nur dann, wenn es dort Austern, Hummer und Langusten gab. Jetzt ist er in den Mittelpunkt der Arbeit eines Parlamentsausschusses gerückt. Denn seit das zentralamerikanische Land am 13. Januar von einem schweren Erdbeben erschüttert wurde, ziehen die Fischer nur noch wenig Essbares aus dem Wasser. Bislang haben sie den Mangel auf das Beben zurückgeführt, dessen Epizentrum gut 50 Kilometer vor der Küste gelegen hat. Nun haben Umweltschützer darauf hingewiesen, dass sich genau dort, wo damals die Erde bebte, ein riesiger Waffenfriedhof befindet. Sie wollen wissen, ob das Beben, das bis zu 4.000 Menschen tötete und fast eine Million obachlos machte, von einer Explosion auf diesem Schrottplatz ausgelöst wurde.

Die Theorie klingt abenteuerlich, zumal der Waffenfriedhof, der mehr als tausend Meter unter der Wasseroberfläche liegen soll, in keiner salvadorianischen Karte eingezeichnet ist. Die Armee hat bislang keine Stellungnahme abgegeben. Die US-Botschaft in San Salvador dementierte. „Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass wir diese Zone verwendet haben“, sagte Botschaftssprecherin Marjorie Coffin.

Doch die Umweltschützer haben eine alte US-amerikanische Seekarte aufgetrieben, und auf der steht in einem Rechteck über dem Epizentrum: „Ammunition Dumping Ground“. Als Erster plauderte der Abgeordnete José Almendáriz von der rechten Nationalen Versöhnungspartei. Er wisse, dass die salvadorianische Luftwaffe dort Ende der Sechzigerjahre „alles Mögliche“ abgeworfen habe. Vor allem tschechische Munition, weil man dafür keine passenden Geschütze mehr gehabt habe. „Von Umweltschutz hat damals noch keiner geredet.“

Dann zog die Luftwaffe nach. Während des Bürgerkriegs (1980 bis 1992) seien dort massenhaft 500-Pfund-Bomben abgeworfen worden, die man aus irgendwelchen Gründen nicht über dem Guerilla-Gebiet losgeworden war. „Mit diesem Gewicht an den Flügeln konnten die Flugzeuge unmöglich landen“, sagte Luftwaffenchef Milton Andrade.

Schließlich gestand die US-Botschaft, dass der explosive Schrottplatz von ihrer Army eingerichtet worden sei. Von 1945 bis 1947 hätten Schiffe dort überflüssige konventionelle Waffen aus dem Zweiten Weltkrieg verklappt. Man wisse allerdings nichts darüber, was für Waffen das gewesen seien und wie viele. Schließlich sei das schon mehr als 50 Jahre her. Seither habe sich niemand um die Gegend gekümmert, und Unterlagen gebe es auch nicht mehr.

Doch „nach allem, was wir wissen, können konventionelle Waffen keine Erdbeben auslösen“, versucht Botschaftssprecherin Coffin zu beruhigen.

Selbst wenn das so ist, bleibt die Frage: Haben die Schrottwaffen das Erdbeben heil überstanden oder vergiften sie nun den Ozean? Ganz sicher scheint sich die US-Botschaft nicht mehr zu sein. Sie hat der salvadorianischen Regierung versprochen, sie werde das Problem untersuchen und notfalls Tiefseetaucher auf den Meeresgrund schicken.

TONI KEPPELER