Kein Coming-Out

■ Ohne Psychologisierungen: Sébastien Lifshitz' Film „Sommer wie Winter“

Eine ganz und gar nicht gewöhnliche schwule Liebesgeschichte erzählt Sommer wie Winter. Obwohl es für seine Verhältnisse ein leiser und zurückhaltender Film geworden ist, hat Regisseur Sébastien Lifshitz jede Gefühlsduselei vermieden. In den Sommerferien, die Mathieu in einem kleinen französischen Küstenort verbringt, verguckt er sich in Cédric. Schnell wird aus dem Flirt eine Beziehung, und das ist auch der Familie Mathieus nicht lange zu verheimlichen.

Eine Coming-Out-Geschichte, könnte man denken. Doch Lifshitz interessiert sich nicht für Homosexualität als Motor von Ereignissen. Keine Sekunde zögert Mathieu vor seinem „ersten Mal“. Als Teenager gleich darauf eine feste Beziehung mit Cédric einzugehen, scheint keinen größeren Mut zu erfordern, als wenn es sich bei ihm um ein Mädchen handeln würde. Auch die Reaktion der Familie ist gänzlich undramatisch. Wie es überhaupt weder von innen, durch internalisierte gesellschaftliche Regeln, noch von außen, wie etwa durch die genretypischen Schwulenfeinde vor Ort, eine Bedrohung der Liebesgeschichte gibt.

Außer einer, die jedoch die eigentliche Hauptrolle in Lifshitz' Film spielt: die Depression Mathieus. Sie wird nach eineinhalb Jahren die Beziehung zerstören. Mit teils schonungslosen Bildern, gewagten Sprüngen, Rückblenden und vielen Leerstellen erzählt Sommer wie Winter etwas vom Leben damit, nichts von den Gründen dahinter.

Christiane Müller-Lobeck

heute und morgen, 22.30 Uhr, Zeise + heute bis Mi, 15.30 Uhr, 18 Uhr, 20.15 Uhr, 22.30 Uhr, Neues Broadway; läuft nur eventuell noch kommende Woche!