Abschied eines Fürsprechers der Feuerwehr

Mit der Bilanz seines Wirkens tat Eberhard Diepgen im Berliner Abgeordnetenhaus das, was er am besten kann: seine Zuhörer langweilen

BERLIN taz ■ Ein letztes Mal ist Eberhard Diepgen Tagesordnungspunkt 1 a. Fahrig greift der Regierungschef an diesem Donnerstag im Berliner Abgeordnetenhaus zum Manuskript seiner Rede. Es ist, voraussichtlich, seine letzte als Regierender Bürgermeister. Wenn er fertig ist, werden SPD und Grüne einen Misstrauensantrag gegen ihn einbringen. Diepgen hat noch 48 Stunden.

Ausgerechnet den Bundestagsbeschluss zum Regierungsumzug von Bonn nach Berlin nimmt der gebürtige Weddinger zum Anlass, um seine Leistungen im Roten Rathaus für die Nachwelt zu Protokoll zu geben. Mit gesenkter Stimme spricht der 59-Jährige von einer „Sternstunde der Demokratie“, von „Wesen einer Hauptstadt“ und vom „Wesen einer Nation“. Bei Wörtern wie „Glaubwürdigkeit“ und „Verlässlichkeit“ wird er lauter und blickt auf die abtrünnigen Sozialdemokraten.

Doch die Bilanz des Eberhard Diepgen bleibt blass. Pastoral berichtet er vom „Umzug der öffentlichen Bediensteten“ von Bonn nach Berlin, der „ein Stück deutscher Wertarbeit“ gewesen sei, stützt sich dabei mit beiden Händen auf dem Rednerpult ab, lobt auch die „Zusammenführung der Feuerwehr“. Auch auf den Bänken der CDU-Fraktion stützen Abgeordnete ihren Kopf ab, Beifall gibt es pflichtgemäß, die Opposition ist selbst für Zwischenrufe zu gelangweilt.

Die Hauptstadtwerdung ist für Diepgen ein historisches Verdienst, auch. Hauptsächlich aber eine Entschuldigung. Das Wirtschaftswachstum Berlins hat das deutsche Mittelfeld nicht erreicht? Hauptstädte „sind eben eine Gemeinschaftsaufgabe“, bemerkt er in Richtung der Bundesregierung. Ein gähnendes Haushaltsloch? Man musste eben „die innere Einheit wahren“, Plattenbauten sanieren. Dass dabei mitunter, siehe den Skandal um die Immobilienfirma Aubis, Diepgens Intimfreund, der ehemalige CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky, auch zur Sanierung der Plattenbausanierer beigetragen hat, erwähnt der Bürgermeister nicht. Er spricht lieber von der „Modernisierung der Stadt mit sozialem Gesicht“, als habe nur eine Erhöhung der Sozialhilfeausgaben das Land in den Ruin gestürzt. Er sei „gegen eine Politik des knappen Geldes“, sagt er, ganz wahrheitsgemäß. Gerade diese Haltung, nicht zuletzt durch den Wunsch nach Prestigeprojekten für die Hauptstadt motiviert, war es, die letztlich zum Zusammenbruch des Systems Diepgen geführt hatte.

Und dann, als es längst zu spät ist, wird er noch einmal zum Kämpfer. „Der Bruch der Koalition hat mich doch getroffen und betroffen gemacht“, bedauert er; wirft der PDS vor, „Mauer und Stacheldraht“ zu rechtfertigen, entdeckt den Geist der Unbelehrbaren, erinnert an die Tradition von Ernst Reuter und Willy Brandt. Als er sich setzt, schüttelt ihm als Erster der Noch-Innensenator und Kalte Krieger Eckart Werthebach (CDU) die Hand, die Fraktion dankt mit stehenden Ovationen. Eberhard Diepgen setzt sich, schlägt die Beine übereinander, hebt seine Föntolle weit nach oben und beginnt, tatsächlich, mit dem Däumchendrehen. ANDREAS SPANNBAUER